Ronny Jahn: Auf rechtliche Verstöße treffen Verbraucher:innen in ihrem Alltag leider immer wieder – etwa in Form von unrechtmäßigen Gebühren oder rechtswidrigen Preiserhöhungen. Wenn sie dann rechtlich gegen Anbieter vorgehen wollen, stoßen Verbraucher:innen oft auf Hürden. Es fehlt einfach an Zeit und Geld. Das führt dazu, dass einzelne Verbraucher:innen nur selten vor Gericht ziehen, wovon am Ende die Anbieter profitieren. Da kommen wir als klagebefugter Verband ins Spiel. Jährlich leiten wir rund 300 Verfahren gegen Anbieter ein, die aus unserer Sicht gegen Verbraucherrecht verstoßen. Die Interessen der Verbraucher:innen vor Gericht zu vertreten, ist maßgeblicher Teil unserer politischen Arbeit.
Heiko Dünkel: Wir erhalten regelmäßig Hinweise von Verbraucher:innen, die über einen Anbieter oder ein Produkt Beschwerde bei uns einreichen oder in den Beratungen der Verbraucherzentralen davon berichten. Außerdem führen wir im Rahmen der Marktbeobachtung eigene Untersuchungen durch. Wir gehen den Hinweisen dann nach, prüfen, ob es sich um rechtliche Verstöße handelt und welche juristischen Schritte passend sind. Soll etwa eine irreführende Werbung untersagt werden oder eine Klausel im Kleingedruckten untersagt werden, ist die Unterlassungsklage das Mittel der Wahl. Stehen Rückzahlungsansprüche für eine größere Anzahl von Verbraucher:innen im Raum, prüfen wir, eine Musterfeststellungsklage zu erheben.
Ronny Jahn: Seit 2018 können in Deutschland Musterfeststellungsklagen erhoben werden. Durch sie können Verbraucher:innen bei Massenschäden effizienter und kostensparender zu ihrem Recht kommen. Inzwischen haben wir 19 solcher Klagen eingereicht. Zwei Verfahren konnten wir auch schon erfolgreich abschließen und so dafür sorgen, dass viele Verbraucher:innen Entschädigungen erhalten – etwa im Fall der Musterklage gegen VW im Dieselskandal. Für rund eine Viertelmillion Verbraucher:innen haben wir damals Entschädigungen erwirkt. Mit der EU-Verbandsklage soll dieses Jahr eine weiterführende Sammelklage in nationales Recht überführt werden – eine sinnvolle Ergänzung zur bestehenden Musterfeststellungsklage.
Heiko Dünkel: Der Bereich Energie hat uns durch die Krise seit Ende 2021 verstärkt beschäftigt. Dadurch, dass einige politische Maßnahmen – wie etwa die Preisbremsen – erst im Laufe dieses Jahres ihre Wirkung entfalten, werden wir hier weiterhin genau auf das Verhalten der Anbieter schauen und Hinweisen nach Fehlverhalten nachgehen. Aber auch Kontoentgelte sind weiterhin ein Thema für uns. Manche Banken und Sparkassen werden ausgesprochen kreativ, um ihren Kund:innen die Zustimmung zu neuen oder höheren Entgelten abzuringen. Da schauen wir genau hin und haben gegen besonders dreistes Vorgehen schon einstweilige Verfügungen erwirkt.
Das Interview wurde für den Jahresbericht 2022 des vzbv geführt.