- Unternehmen wollten Kündigungsrecht nur „gewähren“, wenn Kund:innen den Umzug bereits vier Wochen im Voraus ankündigen und bereitgestelltes Formular vollständig ausfüllten
- Wer gestellten Anforderungen des Stromanbieters nicht vollständig erfüllte, sollte weiter für den Stromverbrauch in seiner alten Wohnung einstehen
- Kammergericht Berlin: Überzogene Kündigungsvoraussetzungen waren nicht mit Grundgedanken der Regelungen im Energiewirtschaftsgesetz vereinbar

Quelle: Markus Bormann - adobestock.de
Stromversorger dürfen das Sonderkündigungsrecht ihrer Kunden im Falle eines Umzugs nicht unangemessen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einschränken. Das hat das Kammergericht Berlin nach einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) gegen Voxenergie und Primastrom entschieden. Die beiden Tochtergesellschaften der Prima Holding GmbH hatten in ihren Geschäftsbedingungen unter anderem verlangt, dass Kund:innen den Umzug bereits vier Wochen vorher anzeigen und dafür spezielle Umzugsformulare verwenden müssen.
Strom- und Gaskunden haben ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht, wenn sie aus ihrer alten Wohnung ausziehen – es sei denn, ihr Stromversorger erklärt innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Kündigung, dass er auch in der neuen Wohnung die Fortsetzung des Vertrages zu den bisherigen Vertragsbedingungen anbietet. Dafür ist dem Unternehmen mit der Kündigung lediglich die neue Anschrift oder die Zählernummer zu nennen. Die Kündigung ist mit einer Frist von sechs Wochen zum Auszugstermin oder zu einem späteren Zeitpunkt möglich.
Voxenergie und Primastrom sahen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen ganz andere Regeln für eine Umzugskündigung vor. Danach mussten Kund:innen das Unternehmen bereits vier Wochen vorher über den geplanten Umzug informieren und das dafür vorgesehene Umzugsformular vollständig ausfüllen, damit ihnen das Kündigungsrecht „gewährt“ wird. Ansonsten sollten sie weiterhin für den Stromverbrauch in ihrer alten Wohnung einstehen. Von der Zwei-Wochen-Frist, in der das Unternehmen den Kunden informieren muss, ob es die Stromversorgung auch in der neuen Wohnung übernimmt, war keine Rede.
AGB nicht mit Regelungen des Energiewirtschaftsgesetz vereinbar
Das Kammergericht Berlin folgte der Auffassung des vzbv, dass die strittige Klausel das Sonderkündigungsrecht unangemessen einschränkt. Das gesamte Prozedere um Kündigung und Vertragsfortsetzung weiche von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab. Das Energiewirtschaftsgesetz sehe für die Kündigung weder eine Vier-Wochen-Frist für die Anzeige des Umzugs noch die Verwendung vorgegebener Formulare vor – auch keine Pflicht der Kund:innen, bei unvollständigen Angaben für weitere Stromentnahmen an der alten Verbrauchsstelle einzustehen. Das Sonderkündigungsrecht stehe ihnen von Gesetz wegen zu, es werde nicht vom Energielieferanten gewährt.
Die Klausel sei dagegen so zu verstehen, dass eine Kündigung ausgeschlossen ist, wenn der Umzug nicht vier Wochen im Voraus angezeigt wird. Eine solche Ausschlussfirst gebe es im Gesetz gerade nicht. Außerdem seien die Stromversorger laut Klausel nicht an die gesetzliche Zwei-Wochen-Frist gebunden, in der sie die Fortsetzung der Stromlieferung erklären müssen. Jeglicher Bezug zu dieser Frist fehle. Die Klausel sei daher insgesamt nicht mit den Regelungen im Energiewirtschaftsgesetz vereinbar.
Urteil des KG Berlin vom 30.04.2025, Az. 23 UKl 9/24
Datum der Urteilsverkündung: 30.04.2025
Aktenzeichen: 23 UKI 9/24
Gericht: Kammergericht Berlin