Verbraucher müssen über die Modalitäten der Berechnung der zugrundeliegenden Werte von Darlehensverträgen hinreichend informiert werden. Das gilt auch, wenn diese öffentlich zugänglich sind.
Der Entscheidung des EuGH liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Zwei Verbraucher schließen mit der Banco Santander einen Hypothekendarlehensvertrag mit variablem Zinssatz ab. Nach einer Vertragsklausel wird jährlich ein neuer Zinssatz anhand eines „Referenzzinssatzes“ – dem IRPH der Kreditinstitute zuzüglich 0,20 Prozentpunkten – oder eines „alternativen Referenzzinssatzes“ – dem IRPH der Banken zuzüglich 0,50 Prozentpunkten – festgesetzt. Die beiden Verbraucher halten diese Klausel für missbräuchlich und daher unwirksam. Sie erheben beim Gericht erster Instanz in Palma de Mallorca Klage und begehren neben der Feststellung der Nichtigkeit Schadensersatz. Sie machen insbesondere geltend, dass die Klausel deshalb nichtig sei, weil die Bank von Spanien in der Präambel eines Rundschreibens 1994 die Banken unterrichtet, bei der Anwendung eines IRPH als Referenzsatz einen negativen Korrekturwert anzuwenden, und nicht einen positiven, wie Santander es vorliegend praktiziert. Banco Santander macht insbesondere geltend, dass die fragliche Klausel individuell ausgehandelt wurde und grundsätzlich rechtmäßig sei, da die IRPH offizielle und veröffentlichte Indizes seien und somit den Verbrauchern zugänglich seien. Das spanische Gericht setzt das Verfahren aus und ersucht den EuGH um Auslegung der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln für diesen Fall.
Der EuGH hebt hervor, dass zur Einschätzung der Transparenz und möglichen Missbräuchlichkeit der umstrittenen Klausel die Informationen von Bedeutung seien, die im Rundschreiben von 1994 enthalten sind. Dieses Rundschreiben lege nahe, dass der entsprechende Index unter Berücksichtigung seiner Berechnungsmethode mit einem negativen Korrekturwert angepasst werden sollte, um den Zinssatz dem Marktzinssatz anzupassen. Ebenso wichtig sei, ob diese Informationen für durchschnittliche Verbraucher:innen ausreichend zugänglich seien. In Bezug auf die Transparenzanforderungen betont der Gerichtshof, dass im vorliegenden Fall der betreffende Referenzindex durch das Rundschreiben festgelegt worden sei. Es liege in der Verantwortung des spanischen Gerichts, sicherzustellen, dass die bereitgestellten Informationen ausreichen, damit durchschnittlich gut informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher:innen tatsächlich in der Lage seien, die Details der Berechnung des in der umstrittenen Klausel genannten Referenzindex zu verstehen. Das spanische Gericht müsse außerdem die Bedeutung der Informationen aus der Präambel des Rundschreibens von 1994 für die Verbraucher:innen bestimmen, um die wirtschaftlichen Auswirkungen des Abschlusses des fraglichen Hypothekendarlehensvertrags angemessen einschätzen zu können. Diese Informationen, die den Verbraucher:innen nicht mitgeteilt wurden, scheinen für sie nützlich zu sein, da die Banco de España es für angebracht hielt, die Kreditinstitute auf den Stand des IRPH im Vergleich zum Marktzinssatz hinzuweisen und darauf, dass ein negativer Korrekturwert angewendet werden solle, um diese beiden Sätze anzugleichen. Es liegt nun am spanischen Gericht, den Fall anhand dieser Kriterien zu entscheiden.
Hinweis: An diesem Verfahren war der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) nicht beteiligt. Gerne informiert Sie der vzbv alle vier bis sechs Wochen mit einem kostenlosen Newsletter über neue Urteile zum Verbraucherrecht.
Datum der Urteilsverkündung: 13.07.2023
Aktenzeichen: C-256/22
Gericht: EuGH