Im Rahmen des Online-Bankings kann auch die telefonische Weitergabe lediglich einer TAN den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit des Zahlungsdienstnutzenden begründen, wenn sich dieser oder diesem nach den Gesamtumständen des Falles geradezu aufdrängen musste, dass die Aufforderung zur Weitergabe der TAN nicht von dem Zahlungsdienstanbieter stammen konnte.
Der Entscheidung des LG Saarbrücken liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Kläger, sowohl Kunde als auch bis zum 01.05.2011 Mitarbeiter der beklagten Bank, nimmt die Beklagte auf Gutschrift einer nicht autorisierten Überweisung in Anspruch. Zwischen den Parteien besteht ein Vertrag über die Führung eines Kontokorrentkontos mit der Möglichkeit der Nutzung von Online-Banking. Dabei nutzt der Kläger seit annähernd 30 Jahren Online-Banking-Produkte der Beklagten. In der zwischen den Parteien bestehenden Rahmenvereinbarung sind gewisse Sorgfaltspflichten des Teilnehmenden (hier des Klägers) vereinbart, unter anderem, dass die TAN nicht mündlich (z.B. telefonisch) weitergegeben werden dürfe. Am 23. Juni 2021 will der Kläger seinen Online-Zugang nutzen. Es öffnet sich auf dem Computer des Klägers ein Fenster mit der Mitteilung, er müsse sich bezüglich eines „S-Cert-Banking“ Verfahrens legitimieren. Dieses Fenster beinhaltet einen Link, welcher auf ein Formular zur Eingabe einer Adresse und Mobilfunknummer verweist. In dieses Formular gibt der Kläger seine Daten ein. In der Folge meldet sich ein vorgeblicher Mitarbeiter der Beklagten telefonisch und teilt mit, er wolle bei der Legitimierung behilflich sein. Diese setze die Generierung einer TAN voraus. Eine TAN wurde seitens des Klägers erstellt und an den Anrufer weitergegeben. Am 24. Juni 2021 stellt der Kläger fest, dass eine Überweisung über 7.677,00 Euro von seinem Konto an eine ihm unbekannte Frau vorgenommen wurde. In der Folge tritt der Kläger ergebnislos in Korrespondenz mit der Beklagten, mittels derer er die Anfechtung einer etwaigen Autorisierung des Zahlungsvorgangs erklärt. Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.677,00 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Aufrechnung mit einem korrespondierenden Schadensersatzanspruch wegen grob fahrlässiger Verletzung seiner Sorgfaltspflichten.
Die zulässige Klage des Klägers ist unbegründet und hat somit keinen Erfolg. Zwar stand dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Gutschrift des Betrages von 7.677,00 Euro aus § 675u Satz 2 BGB zu. Dieser Anspruch sei jedoch infolge der hilfsweise durch die Beklagte erklärten Aufrechnung mit einem korrespondierenden Schadensersatzanspruch gleicher Höhe aus § 675v Abs. 3 BGB erloschen. Bei der Annahme der groben Fahrlässigkeit des Klägers wurde unter anderem gewürdigt, dass die Rahmenvereinbarung zwischen den Parteien ausdrücklich die telefonische Weitergabe der TAN verbietet, dass das angezeigte Fenster zur Dateneingabe durch zahlreiche orthographische Fehler und wirre Angaben zur „allzeit“ nötigen Bereithaltung der „Legitimations-PIN“ auch außerhalb von Geschäftszeiten einen unseriösen Eindruck erwecken musste. Zudem habe es dem Kläger als ehemaliger Bankmitarbeiter und langjähriger Nutzer des Online-Bankings umso mehr auffallen müssen, dass es sich nicht um einen regulären Vorgang seitens der Bank handeln könne.
Hinweis: An diesem Verfahren war der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) nicht beteiligt. Gerne informiert Sie der vzbv alle vier bis sechs Wochen mit einem kostenlosen Newsletter über neue Urteile zum Verbraucherrecht.
Datum der Urteilsverkündung: 10.06.2022
Aktenzeichen: 1 O 394/21
Gericht: LG Saarbrücken