Datum: 14.12.2022

Zum Umgang von Twitter mit ehrverletzenden Tweets

Urteil des LG Frankfurt a. M. vom 14.12.2022 (2-03 O 325/22)

Twitter muss bei einem konkreten Hinweis auf eine Persönlichkeitsverletzung auch kerngleiche Äußerungen entfernen.

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Quelle: Gina Sanders - Fotolia.com

Der Entscheidung des Frankfurter Landgerichts liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Antragsteller ist Beauftragter gegen Antisemitismus und macht gegen die Antragsgegnerin Twitter Unterlassungsansprüche geltend. Seit 2009 betreibt er einen Twitter-Account. Hierfür legte er unter dem Nutzernamen X ein Twitter-Konto an. Er nutzt den beruflichen Account @X. In der Zeit vom 16.-20. September 2022 verbreitete W über seinen Account @W bei der Antragsgegnerin in diversen Tweets in verschiedenen Varianten die Behauptungen, der Antragsteller habe „eine Nähe zur Pädophilie“, er habe „einen Seitensprung gemacht“, er habe „antisemitische Skandale“ und sei „Teil eines antisemitischen Packs“. Der Antragsteller meldete über das twittereigene Meldeverfahren im Zeitraum vom 25.-29. September 2022 mindestens 46 Tweets mit aus seiner Sicht rechtsverletzenden Inhalten. Am 25. September 2022 und erneut am 27. September 2022 forderte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Twitter per E-Mail erfolglos auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Infolgedessen entfernte die Antragsgegnerin drei der beanstandeten Tweets. Die restlichen Meldungen wurden zurückgewiesen. Am 28. September 2022 sperrte die Antragsgegnerin den Account @W. Am 03. Oktober 2022 hob die Antragsgegnerin die Sperre dieses Accounts wieder auf. Mit der Freischaltung waren die nicht gelöschten Tweets wieder abrufbar. Am 06. Oktober 2022 sperrte die Antragsgegnerin diesen Account erneut. Die Sperre hält bis heute an. Der Antragsteller hält sich für ein Opfer einer politisch und religiös motivierten Verleumdungskampagne auf Twitter. Die angegriffenen Inhalte verletzten ihn in seiner Privat- oder gar Intimsphäre. Für diese gebe es keine tatsächliche Grundlage. Er vertritt die Ansicht, Twitter sei nach allgemeinen Gesetzen und aus Vertrag verpflichtet, die Verbreitung sämtlicher der gemeldeten Tweets zu unterlassen. Die darin geäußerten Behauptungen verstießen gegen die Twitter-Regeln. Twitter sei nicht nur verpflichtet, die genau bezeichneten Tweets zu entfernen, sondern darüber hinaus die Verbreitung kerngleicher Inhalte auch durch dritte Nutzer zu unterlassen. Es sei der Antragsgegnerin zumutbar, kerngleiche Inhalte zu identifizieren oder den handelnden Nutzer zu zwingen, kerngleiche Rechtsverletzungen zu unterlassen.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat Erfolg. Die Verbreitung der meisten vorliegenden Aussagen greife rechtswidrig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers ein. Das Interesse des Antragsstellers an der Wahrung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts überwiege vorliegend dem Interesse der Äußernden, da es sich bei den angegriffenen Äußerungen um unwahre Tatsachenbehauptungen bzw. um Meinungsäußerungen auf unwahrer oder fehlender Tatsachengrundlage handle. Zudem habe Twitter, die ihr obliegende Prüfplicht verletzt, da sie nach dem Hinweis vom 27. September 2022 nicht alles ihr technisch und wirtschaftlich Zumutbare getan habe, um weitere Rechtsverletzungen zu verhindern. Zudem sei Twitter nicht nur dazu verpflichtet, den konkreten Inhalt zu sperren, sondern habe auch Vorsorge zu treffen, dass es nicht  zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen komme. Daraus folge eine Verpflichtung zur Unterlassung kerngleicher Verletzungen. Twitter hat somit nicht nur die gerügten, sondern auch weitere kerngleiche Äußerungen, auch von anderen Nutzer:innen, zu entfernen, bzw. den Zugang zu ihnen zu sperren.

 

Hinweis: An diesem Verfahren war der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) nicht beteiligt. Gerne informiert Sie der vzbv alle vier bis sechs Wochen mit einem kostenlosen Newsletter über neue Urteile zum Verbraucherrecht.

Datum der Urteilsverkündung: 14.12.2022
Aktenzeichen: 14.12.2022
Gericht: LG Frankfurt a. M.

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