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Datum: 01.05.2024

"Verbraucher:innen wollen beim Ausbau der Fernwärme mitgenommen werden"

Interview der vzbv-Vorständin Ramona Pop mit statement. - Das Meinungsmedium des ZVSHK

vzbv-Vorständin Ramona Pop spricht über mangelnde Verbraucherrechte bei der Wärmewende. Sie fordert mehr Mitspracherechte für Verbraucher:innen beim Ausbau kommunaler Wärmenetze und volle Transparenz bei der Preisbildung durch Fernwärmeanbieter. Die Bundesregierung müsse die Fernwärmeverordnung novellieren.

You can see Ramona Pop. The interior of the vzbv building can be seen in the background.

Quelle: © Dominik Butzmann / vzbv

Frau Pop, was macht die Fernwärme als eine der von der Bundesregierung proklamierten wesentlichen Säulen der Wärmewende zu einem Thema für den Verbraucherschutz?

Nach wie vor heizt die überwiegende Mehrheit der Verbraucher:innen mit fossilen Energieträgern: Etwa dreiviertel der privaten Haushalte heizen mit Gas und Öl. Diese Heizungen müssen nach den Vorschriften des Gebäudeenergiegesetzes schrittweise durch klimafreundliche Heizungen ausgetauscht werden. Dabei ist der Anschluss an ein Nah- oder Fernwärmenetz eine mögliche Option. Fernwärme kann insbesondere in größeren Städten sinnvoll sein, wenn zum Beispiel Wärmepumpen oder Biomasseheizungen weniger geeignet sind. Während die Bundesregierung mit dem Heizungsgesetz und dem Wärmeplanungsgesetz die Weichen für den weiteren Ausbau der Fernwärme gestellt hat, fehlt es immer noch an Regelungen zur Verbesserung des Verbraucherschutzes. Das Fernwärmerecht ist veraltet, nicht verbraucherfreundlich und muss daher dringend aktualisiert werden. Denn im Gegensatz zum Strom- und Gasmarkt besteht der Fernwärmemarkt aus vielen einzelnen lokalen Monopolen. Die Wärmenetze sind nicht miteinander verbunden. Für ein Wärmenetz gibt es daher auch nur einen Anbieter. Wenn beispielsweise der Fernwärmeversorger die Preise erhöht, können Verbraucher:innen den Anbieter nicht wechseln, wie beim Strom oder Gas heute üblich. Selbst wenn sich Verbraucher:innen für ein anderes Heizsystem entscheiden wollen, wird ihnen der Wechsel erschwert: Oft bis zu zehn Jahre beträgt die Vertragslaufzeit. Diese Ausgangslage passt doch überhaupt nicht zu den Anforderungen der Energiewende.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat im Dezember seine Studie zu 31 Fernwärmenetzen hinsichtlich ihrer Preisgestaltung und Kostentransparenz vorgestellt und im „Preismonitoring Fernwärme“ die aktuellen Anbieterpreise verglichen und veröffentlicht. Welche wesentlichen Erkenntnisse und Folgerungen leiten Sie daraus ab? Haben Sie die anbietenden Energieversorgungsunternehmen (EVU) und die Bundespolitik damit konfrontiert bzw. gab es von dieser Seite substanzielle Reaktionen zu Ihren Veröffentlichungen?

Die Studie des Verbraucherzentrale Bundesverbands soll für mehr Transparenz bei den Fernwärmepreisen in Deutschland sorgen. In den untersuchten Kommunen zeigten sich deutschlandweit große Preisunterschiede: Der Preis des teuersten großen Netzes war mit 27 Cent pro Kilowattstunde mehr als doppelt so hoch wie der Preis des günstigsten großen Netzes mit 12 Cent pro Kilowattstunde. Für Verbraucher:innen ist doch nicht nachvollziehbar, warum sie gegebenenfalls einen im Vergleich hohen Preis zahlen sollen. Tendenziell sind große Netze kostengünstiger als kleine Netze. Ob größere Netze aber effizienter sind und ob das einen relevanten Einfluss auf den Preis hat, wissen wir nicht, weil viele Anbieter dazu keine Angaben machen. Aus der Studie folgt daher für den Verbraucherzentrale Bundesverband, dass in Deutschland dringend ein bundesweites Preisregister aller Fernwärmenetze eingerichtet werden muss, in dem sich Verbraucher:innen einfach informieren können, wie hoch der Preis in ihrem Netz ist – und aus welchen Faktoren sich der zu zahlende Preis zusammensetzt. Diese Forderung ist der Bundesregierung seit längerem bekannt, konkrete Maßnahmen fehlen aber leider immer noch. Also, statt Transparenz eine Black Box.

Welche Erwartungen und Forderungen richten Sie in diesem Zusammenhang an die Politik, die wärmeplanenden Kommunen und die beteiligten EVU? Was muss sich aus Ihrer Sicht zugunsten von Verbrauchern, hier konkret von Immobilienbesitzern, Vermietern und Mietern unbedingt ändern?

Beim Ausbau der Fernwärme, insbesondere im Gebäudebestand, sollten die Kommunen und Fernwärmebetreiber mit Fingerspitzengefühl vorgehen. Verbraucher:innen wollen mitgenommen werden. Wenn sich Kommunen im Rahmen der Wärmeplanung in einem Stadtteil für den Ausbau der Fernwärme entscheiden, braucht es zunächst einmal volle Transparenz zum Zeitplan und zu den Kosten. Verbraucher:innen müssen wissen, was auf sie zukommt, damit sie eine gute Entscheidung treffen können, etwa wenn sie noch in der Planungsphase eines Wärmenetzes ihre defekte Heizung ersetzen müssen. Fernwärmeanbieter müssen den Verbraucher:innen auch kommunizieren, welche Fernwärmepreise sie künftig erwarten. Dabei ist für die privaten Haushalte entscheidend, wie günstig oder teuer diese Option im Vergleich zu anderen Lösungen, wie zum Beispiel der Wärmepumpe, sein wird. Fernwärmeanbieter müssen Verbraucher:innen durch attraktive Angebote überzeugen. Ein gesetzlicher Anschluss- und Benutzungszwang wäre dagegen sicher das falsche Signal. Das gilt für selbstgenutztes Wohneigentum aber auch für vermietete Gebäude.

Die Fernwärme bleibt als Bestandteil der Wärmewende ein sprichwörtlicher Dauerbrenner. Sogar das Bundeskartellamt hat kürzlich eine Untersuchung von sieben Energieversorgungsunternehmen und ihrer nicht nachvollziehbaren und die Fernwärme stark verteuernden Preisbildung eingeleitet. Immer mehr betroffene Kunden klagen gegen die Fernwärmeanbieter. Haben Sie Ideen und konkrete Vorschläge wie die zuletzt geforderte Preisaufsicht, um dem Preiswucher und der Intransparenz von EVU wirksam und zeitnah zu begegnen? Reicht es tatsächlich aus, dass der BDEW gemeinsam mit weiteren Verbänden ab April eine Plattform anbieten möchte, in der alle Fernwärmepreise in Deutschland vergleich wie abrufbar sein sollen?

Das Bundeskartellamt prüft die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften, und das ist auch gut so. Es hat konkrete Verfahren gegen Fernwärmeversorger wegen missbräuchlich überhöhter Preissteigerungen eingeleitet. Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband ist bei der Rechtsdurchsetzung aktiv und hat Sammelklagen wegen exorbitanter Preissteigerungen gegen zwei Fernwärmeunternehmen auf den Weg gebracht. Der vzbv hält die Preissteigerungen bei E.ON Energy Solutions und HanseWerk Natur für rechtswidrig. Dass mit der Arbeitsgemeinschaft Fernwärme, dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft und dem Verband kommunaler Unternehmen drei Verbände die Einrichtung einer Transparenzplattform angekündigt haben, ist zwar ein Signal in die richtige Richtung. Das reicht aber nicht aus. Es braucht ein unabhängiges Register bei einer Bundesbehörde, in der Informationen rund um die Preisgestaltung aller Fernwärmenetze aufgeführt werden. Freiwillige Eintragungen von Betreibern reichen nicht aus, weil voraussichtlich nur ein Teil ihre Daten zur Verfügung stellen würden. Transparenz fängt aber auch schon bei den Anbietern selbst an: Alle preisrelevanten Informationen sollten an einer Stelle auf der Internetseite des Anbieters aufgeführt sein, damit Verbraucher:innen sich diese Informationen nicht umständlich zusammensuchen müssen. Darüber hinaus braucht es für diesen ausgeprägten Monopolmarkt auch dringend eine bundesweite Preisaufsicht. Zudem fordert der Verbraucherzentrale Bundesverband kürzere Vertragslaufzeiten und mehr Transparenz bei der Berechnung der Fernwärmepreise. Das alles muss die Bundesregierung jetzt endlich auf den Weg bringen. Die Novellierung der Fernwärmeverordnung ist überfällig.

Frau Pop, die Beschlüsse und Verordnungen zur EU-Binnenmarktpolitik haben meist direkte Auswirkungen für die Verbraucher in den Mitgliedsstaaten. Das Europäische Parlament, der Rat der Europäischen Union sowie die EU-Kommission haben sich im November 2023 auf eine novellierte Gasbinnenmarkt-Richtlinie als Teil des Gaspakets grundsätzlich geeinigt. Bedarf es Ihrer Einschätzung nach einer vergleichbaren Regulierung für die Fernwärme, um wettbewerbsorientierte Strukturen und damit preislich attraktivere Voraussetzungen beim weiteren Ausbau zu schaffen?

Ordentliche Wettbewerbsbedingungen sind wegen der kleinen Netze im Fernwärmesektor deutlich schwieriger umzusetzen als im Strom- oder Gasmarkt. Es macht zum Beispiel wenig Sinn, ein Wärmenetz durch mehrere Unternehmen mit unterschiedlichen Regeln betreiben zu lassen. Es sollte aber überlegt werden, warum nicht auch Dritte Wärme in das Netz einspeisen können, insbesondere wenn das Netz erweitert wird. Damit könnte mehr Wettbewerb erzielt werden. Letztlich kann der Gesetzgeber dem unzureichenden Wettbewerb in diesem Monopolmarkt aber nur durch eine unabhängige starke Preisaufsicht entgegenwirken. Ziel muss es sein, dass die Fernwärme ihren wichtigen Beitrag zur Energiewende überhaupt leisten und auch ausbauen kann. Da ist noch viel zu tun.

Frau Pop, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Das Interview erschienen im statement. - Das Meinungsmedium des ZVSHK vom Mai 2024, Ausgabe 24.  Das gesamte Interview finden Sie auf zvshk.de.

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