Datum: 18.01.2022

Zur Zulässigkeit eines laufzeitunabhängigen „Verwaltungskosteneinbehalts“ bei zinslosen Studiendarlehensverträgen

Urteil des BGH vom 18.01.2022 (XI ZR 505/21)

Die formularmäßige Bestimmung eines laufzeitunabhängigen „Verwaltungskosteneinbehalts“ benachteiligt Darlehensnehmer:innen nicht unangemessen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, wenn das Darlehen der Förderung bildungspolitischer Ziele oder der Unterstützung hilfsbedürftiger Studierender dient.

urteile-vzbv-fotolia_45599622.jpg

Quelle: Gina Sanders - Fotolia.com

Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Rückzahlung von Verwaltungskosten in Höhe von 450 Euro in Anspruch, die der Beklagte im Zusammenhang mit zwei zwischen den Parteien geschlossenen Darlehensverträgen vereinnahmt hat. Der Beklagte ist ein als gemeinnützig anerkannter eingetragener Verein, dem die Studierendenwerke des Landes Nordrhein-Westfalen angehören und der zinsfreie Darlehen an Studierende vergibt. Nach Nummer 3 der auf der Rückseite der streitgegenständlichen Darlehensverträge abgedruckten "Bedingungen für die Darlehensvergabe" (im Folgenden: Darlehensbedingungen), erhebt der Beklagte einen „Verwaltungskosteneinbehalt“ in Höhe von 5 Prozent der vereinbarten Darlehenssumme; der Betrag wurde bei Auszahlung der letzten Darlehensrate einbehalten. Nach den Richtlinien betrugen die Darlehenshöchstgrenze 9.000 Euro und die monatliche Rückzahlungsrate mindestens 150 Euro. Der Beklagte finanziert sich im Weiteren über Beiträge der Studierenden in Höhe von 1 Euro je Semester. Die Darlehensmittel wurden aus den Rückzahlungen aus den laufenden Darlehensverträgen entnommen. Der Kläger ist Student. Er schloss mit dem Beklagten im Jahr 2015 zwei Darlehensverträge über 4.000 und 5.000 Euro ab, wovon der Beklagte einen „Verwaltungskosteneinbehalt" von 200 und 250 Euro abzog. Die Darlehen waren ab Oktober 2016 bzw. März 2017 in monatlichen Raten von jeweils 150 Euro rückzahlbar. Der Kläger ist der Ansicht, dass es sich bei den beiden Darlehensverträgen um Verbraucherdarlehensverträge handele; die Klausel über den „Verwaltungskosteneinbehalt“ stelle eine Preisnebenabrede dar, die der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 BGB unterfiele und ihn unangemessen benachteilige. Mit der Klage verlangt der Kläger von dem Beklagten die Zahlung von 450 Euro nebst Rechtshängigkeitszinsen. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

 

Der Senat hält die Revision für unbegründet und bestätigt insoweit das berufungsgerichtliche Urteil. Die streitgegenständliche Klausel unterliege zwar der AGB-Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, allerdings benachteilige sie den Kläger nicht in unangemessener Weise. Aufgrund der Wirksamkeit der Klausel, ergebe sich kein Zahlungsanspruchs des Klägers gegen den Beklagten. Zunächst sei festzustellen, dass die vom Kläger zu leistende Bearbeitungsgebühr als laufzeitunabhängige Gebühr vom gesetzlichen Regelfall des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB abweiche, welcher ein laufzeitabhängiges Entgelt für die Darlehensgewährung vorsehe. Grundsätzlich sei dies nicht mit dem gesetzlichen Leitbild vereinbar, weil die Gebühr der Abdeckung des Aufwands des Beklagten bei der Beschaffung und Verwaltung des Studiendarlehens diene und so Kosten auf den Kläger abgewälzt würden, die für die Erfüllung der Hauptleistungspflicht des Beklagten anfielen. Im vorliegenden Fall sei jedoch nicht von einer unangemessenen Benachteiligung des Klägers auszugehen, da es sich um ein zinsloses Studiendarlehen außerhalb des allgemeinen Wettbewerbs auf dem Kapitalmarkt handle. Es sei daher nicht entscheidend, ob der Kläger isoliert durch die Bearbeitungsgebühr benachteiligt werde, sondern es sei eine Interessenabwägung im Gesamtzusammenhang der Bedingungen des Darlehens vorzunehmen. Die Beklagte verfolge mit der Gewährung von Studiendarlehen keine eigenwirtschaftlichen Interessen, sondern erfülle den Satzungszweck, die Volks- und Berufsbildung und insbesondere bedürftige Studierende zu fördern. Der Verwaltungskosteneinbehalt diene lediglich der teilweisen Deckung der tatsächlich entstehenden Kosten des Beklagten. Da es sich bei diesem nicht um ein Kreditinstitut handle, bei dem die EDV-mäßige Durchführung eines Darlehensvertrages in der Regel keinen erheblichen Verwaltungsaufwand auslöse, sondern um einen gemeinnützigen Verein, sei es ferner nicht unangemessen, dass sich die Gebühr bei steigender Darlehenssumme ebenfalls erhöhe. Durch die höhere Darlehenssumme haben die Darlehensnehmer:innen auch einen größeren Vorteil, welcher die höhere Gebühr aufwiege. Zudem stünde dem Kreditgeber bei zinslosen Studiendarlehen nicht die Möglichkeit offen, den Verwaltungsaufwand aus den Zinserträgen zu erwirtschaften. Die Umlegung von Teilen der Verwaltungskosten auf die Darlehensnehmer:innen sei somit zulässig. Die Klage bleibt erfolglos.

 

Hinweis: An diesem Verfahren war der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) nicht beteiligt. Gerne informiert Sie der vzbv alle vier bis sechs Wochen mit einem kostenlosen Newsletter über neue Urteile zum Verbraucherrecht.

Datum der Urteilsverkündung: 18.01.2022
Aktenzeichen: XI ZR 505/21
Gericht: BGH

Weitere Informationen

Kontakt

Kontakt

Icon für Kontakt für Verbraucher

Service für Verbraucher:innen

Was suchen Sie? Wählen Sie eine passende Option:

Kontakt

Telefon-Icon

Pressestelle

Service für Journalist:innen

presse@vzbv.de +49 30 25800-525