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Kuh auf der Weide

Quelle: photocath - iStock.com

Gentechnik in der Landwirtschaft

Die Mehrheit der Verbraucher:innen in Deutschland will keine Gentechnik im Essen, auf dem Acker oder im Stall. Sie wünschen sich mehrheitlich strenge Kriterien an die Sicherheits- und Risikoprüfung für gentechnisch veränderte Pflanzen und eine eindeutige Kennzeichnung.

Um neue gentechnische Verfahren wie Genome Editing, zum Beispiel CRISPR/Cas, gibt es eine intensive Diskussion. Einige Pflanzenzüchterverbände, Unternehmen und Wissenschaftler:innen fordern, Pflanzen und Tiere, die mithilfe neuer Gentechnik erzeugt wurden, von der Europäischen Gentechnik-Regulierung auszunehmen.

Der vzbv setzt sich für die Beibehaltung des Gentechnikrechtes ein, das auch weiterhin für neue gentechnische Verfahren gelten muss und nicht aufgeweicht werden darf. Damit erzeugte Pflanzen und Tiere müssen lückenlos zurückzuverfolgen sein und weiterhin gekennzeichnet werden. Sie müssen auf potenzielle Risiken für Umwelt und Gesundheit geprüft und in der Anwendung beobachtet werden.

Der vzbv fordert

  • Verbindliche Kennzeichnung von Gentechnik in Lebensmitteln – auch für neue Gentechnikverfahren.
  • Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft durch strenge Ko-Existenzregeln zur Sicherung der Wahlfreiheit für Verbraucher:innen.
  • Die Beibehaltung des geltenden europäischen Gentechnikrechts und damit strenge Zulassungsverfahren und Risikoprüfung auch für neue Gentechnikverfahren.
  • Förderung unabhängiger Risikoforschung und Entwicklung von Nachweisverfahren für neue Gentechnik.
  • Umfassende Risikoanalyse neuer gentechnischer Verfahren durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA).
  • Etwaige gesonderte Zulassungsbestimmungen für neue Gentechnikverfahren müssen eine umfassende Technikfolgenabschätzung beinhalten.
  • Ein nationales Verbot für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen auf der Grundlage der europäischen Freisetzungsrichtlinie.
  • Keine Patente auf Leben, auch nicht aus konventioneller Züchtung.

Hintergrund

Das Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher an der Produkt- und Prozessqualität ist, insbesondere als Folge zahlreicher Lebensmittelkrisen, in den vergangenen 20 Jahren stark gestiegen. Folglich war es sehr in ihrem Sinne, dass das Gentechnik-Recht aus dem Jahr 2003 den Ansatz der Prozesskennzeichnung aufgenommen hat: Es regelt nicht nur Lebens- und Futtermittel, die gentechnisch veränderte Organismen (GVO) enthalten, sondern auch Lebens-und Futtermittel, die aus GVO hergestellt werden.

Wenn die GVO selbst nicht mehr nachgewiesen werden können, wie z.B. bei raffiniertem Pflanzenöl, wird der Nachweis über eine Dokumentation erforderlich. Herkunft und Produktionsverfahren bzw. -prozesse müssen rückverfolgbar und Produkte gekennzeichnet sein. Die Entwicklung und Anwendung dieser Instrumente auch bei den neuen Gentechnik-Verfahren entspricht dem Wunsch der Verbraucherinnen und Verbraucher und muss von der EU-Kommission abgesichert werden.

Denn die überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland steht der Gentechnik in Lebensmitteln und in der Landwirtschaft auch nach 20 Jahren Diskussion über Chancen und Risiken kritisch gegenüber. Dies betrifft auch die neuen Gentechnik-Verfahren, wie z.B. CRISPR-Cas.

Häufige Fragen

Unter „Neuer Gentechnik“ werden verschiedene molekularbiologische Techniken zur Manipulation des Erbgutes verstanden. Ihnen liegt ein neuer Mechanismus zu Grunde, mit dem auf die genetische Information Einfluss genommen wird.

Neuere gentechnische Verfahren wie die Genome-Editing-Verfahren arbeiten mit einer Art „Schere“, die das Gen an einer bestimmten Stelle schneidet und so einen Reparaturmechanismus in Gang setzt. Auf diese Weise sollen einzelne Gene umgeschrieben und damit „editiert“ werden können. Was aber dabei genau geschrieben wird, ist im Detail oft nicht bekannt.

Mit den Genscheren können natürliche Mechanismen der Genregulation und Vererbung umgangen werden. Die Ergebnisse daraus unterscheiden sich daher meist deutlich von den spontanen oder zufälligen Mutationen, die die Natur hervorbringt. Da allerdings kein fremdes Erbgut in das Gen eingebracht wird, braucht es spezielle Nachweisverfahren, um nachträglich feststellen zu können, dass es sich um gentechnisch veränderte Pflanzen oder Tiere handelt.

Schon die klassische Gentechnik war vor mehr als zwei Jahrzehnten mit dem Versprechen angetreten, Landwirtschaft nachhaltiger zu machen, den Hunger zu mindern oder für Menschen besonders gesunde Pflanzen hervorzubringen. Erfüllt haben sich diese Versprechen nicht, im Gegenteil. Marktreif wurden, insbesondere in Nord- und Südamerika, vor allem herbizidresistente Pflanzen, die eine Behandlung des gesamten Ackers mit Unkrautvernichtungsmitteln überleben und damit die Artenvielfalt bedrohen.

Befürworter neuer gentechnischer Verfahren aus Wissenschaft und Lebensmittelwirtschaft versprechen nun erneut Pflanzen, die zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft beitragen und dem Klimawandel trotzen könnten. Doch dass sich mithilfe neuer Gentechnik solche Sorten entwickeln lassen, ist unwahrscheinlich. Dazu sind die Prozesse in der Natur und die Interaktion zwischen Genom, Pflanze und Umwelt zu komplex. 

Um die Landwirtschaft dem Klimawandel anzupassen braucht es tatsächlich nachhaltige, widerstandsfähige Anbausysteme. Mit üblicherweise in Monokulturen und auf großen Flächen angebauten gentechnisch veränderten Pflanzen dagegen können standortangepasste Sorten, die weniger Düngung, Pflanzenschutzmittel oder Bewässerung benötigen, verdrängt werden.

Sind gentechnisch veränderte Pflanzen einmal freigesetzt, können sie sich unkontrolliert verbreiten. Diese Entwicklung kann nicht rückgängig gemacht werden und im schlimmsten Fall ganze Ökosysteme bedrohen. Einmal ausgebrachte gentechnisch veränderte Pflanzen verbauen zudem jegliche Option auf eine gentechnikfreie oder ökologische Landwirtschaft auf dieser Fläche.

Die Eigenschaften, die mithilfe neuer gentechnischer Verfahren erzeugt werden, führen oft zu weitgehenden Veränderungen und auch gänzlich neuen biologischen Eigenschaften, die aus konventioneller Züchtung kaum zu erwarten wären. Das kann unbeabsichtigte und nicht umfassend kontrollierbare Wechselwirkungen mit der Umwelt, Schädlingen, unter anderem in Bezug auf Klimafolgen und den Tierschutz sowie auf die Lebensmittelsicherheit haben. Diese unbeabsichtigten Effekte können auch eintreten, wenn der Eingriff ins Erbgut als gezielt und präzise gewertet wird.

Die überwiegende Mehrheit lehnt Gentechnik in der Landwirtschaft ab und möchte damit erzeugte Produkte nicht kaufen. Die Ablehnung erstreckt sich auch auf die neuen Verfahren, wie CRISPR/Cas. Das zeigen Umfragen immer wieder (so etwa hier, hier und hier).

Viele Verbraucher:innen sind besorgt darüber, dass gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere sich unkontrolliert in der Natur verbreiten und damit Ökosysteme bedrohen können. Auch eine Leistungssteigerung von Nutztieren mithilfe von Gentechnik, beispielsweise in der Milchproduktion, stößt auf Ablehnung, denn die Ausrichtung auf Höchstleistungen ist häufig mit erheblichem Tierleid verbunden. Die Mehrheit der Verbraucher:innen fordert eine sorgfältige Risikoabwägung, Risikoforschung und Orientierung am Vorsorgeprinzip. Sie wünscht sich weiterhin eine strenge Regulierung von Gentechnik in der Landwirtschaft.  

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit seinem Urteil 2018 festgelegt, dass Genome Editing als Gentechnik zu bewerten und damit auch weiterhin den Risikobewertungs- und Zulassungsverfahren sowie den Kennzeichnungsregeln für Gentechnik in der EU unterworfen ist. Begründet wurde dies damit, dass sich mit Genome Editing ähnliche Effekte wie mit klassischer Gentechnik erzielen lassen und zudem keine Erfahrungen zu Risiken vorliegen.  

Die Europäische Kommission wurde nach dem Urteil des EuGH von den Mitgliedsstaaten beauftragt abzufragen wie in den Ländern der EU mit dem Thema umgegangen wird und welche Probleme dort gesehen werden. Auch eine Folgenabschätzung für neue Politikvorschläge sollte die Europäische Kommission vorlegen. Die Europäische Kommission hat kommuniziert, dass sie die Aufweichung der Regulierung für neue Gentechnikverfahren für eine mögliche Option hält. 2023 ist mit einem Gesetzesvorschlag zu rechnen.

Ein breites Bündnis von Gegnern einer Aufweichung der Regulierung, darunter Umwelt-, Landwirtschafts- und Verbraucherverbänden, fordert die Beibehaltung und Anwendung des Gentechnikrechts auf die neuen gentechnischen Verfahren mit einer Fall-zu-Fall Betrachtung der veränderten Organismen. Überlegungen der Europäischen Kommission bestimmte, Techniken aus der Regelung auszuschließen, erteilen sie eine Absage.

Es gibt auch zahlreiche ökologische und konventionelle Handelsunternehmen und Lebensmittelhersteller, die sich für die Beibehaltung der aktuellen Regulierung aussprechen. Sie argumentieren, dass nur so das Vorsorgeprinzip, die Risikobewertung sowie Transparenz und Wahlfreiheit gesichert werden können. 

Ein aktuelles Gutachten im Auftrag des vzbv zeigt, dass wichtige Fragen in Bezug auf die neue Gentechnik noch geklärt werden müssen. Denn zahlreiche Wissenschaftler weisen darauf hin, dass neue gentechnische Verfahren noch nicht ausreichend erforschte Risiken für Mensch und Umwelt bergen. Bislang steht eine umfassende Risikoanalyse neuer gentechnischer Verfahren, bei der auch die unbeabsichtigten Effekte systematisch erfasst werden, jedoch aus.

Der vzbv fordert, dass auch neue Gentechnikverfahren weiterhin streng reguliert und gekennzeichnet werden müssen, um Verbraucher:innen vor Risiken zu schützen, Wahlfreiheit zu ermöglichen und Schäden an Ökosystemen und biologischer Vielfalt zu verhindern. Nachhaltigkeitsversprechen der Anbieter dürfen kein Grund für die Aufweichung von Sicherheits- und Kennzeichnungsstandards sein.

Konkret sind für den vzbv in Bezug auf neue Gentechnikverfahren folgende Punkte entscheidend:

  • Risikoprüfung und Zulassungsverfahren: Alle Tiere und Pflanzen und die Lebensmittel, die aus ihnen hergestellt wurden und bei denen neue Gentechnikverfahren zum Einsatz kamen, müssen einen Zulassungsprozess und eine Risikoprüfung durchlaufen.
  • Kennzeichnung und Wahlfreiheit: Lebensmittel, die mithilfe neuer gentechnischer Verfahren erzeugt werden, müssen weiterhin als solche gekennzeichnet werden.
  • Technikfolgenabschätzung: Sollte die EU-Kommission neue, gesonderte Zulassungsbestimmungen für neue Gentechnikverfahren einführen, müssen diese aus einer verpflichtenden Risikoprüfung und einer umfassenden und vorausschauenden Technikfolgenabschätzung bestehen. In Übereinstimmung mit dem Vorsorgeprinzip sollte dabei der tatsächliche Bedarf sowie mögliche, weniger riskante Alternativen im Detail geprüft werden.
  • Umfassende Risikoanalyse durch die EFSA: Die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA muss beauftragt werden, eine umfassende Risikoanalyse neuer gentechnischer Verfahren vorzulegen, bei der auch die unbeabsichtigten Effekte systematisch erfasst werden.

Downloads

22-11-04 Kurzpapier NGT final

Neue Gentechnik, neue Risiken

Strenge Risikoprüfung, Kennzeichnung und Technikfolgenabschätzung für CRISPR/Cas und Co. sind unverzichtbar | Kurzpapier des vzbv | 8. November 2022

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PDF | 168.71 KB
vzbv-report final final

New genomic techniques (NGTs) - agriculture, food production and crucial regulatory issues

Commissioned by and written for Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) | November 2022

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PDF | 1.98 MB
AbL Broschuere gentechnik B5 Doppelseiten-WEB6 FINAL-1

Wahlfreiheit sichern

Artikel von Anne Markwardt, Leiterin des Teams Lebensmittel des Verbraucherzentrale Bundesverbands | erschienen in CRISPR & Co. Neue Gentechnik. Regulierung oder Freifahrtschein? Texte zur aktuellen Diskussion. Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V, 2022

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PDF | 1.7 MB
22-04-04 Neue Gentechnik Forderungszweiseiter

Neue Gentechnik weiterhin strikt regulieren

Keine Aufweichung des EU-Gentechnikrechts für CRISPR/Cas und Co. | Forderungspapier vzbv | April 2022

Ansehen
PDF | 137.65 KB
21-10-19 vzbv feedback ngt roadmap IIA

Gentechnikregulierung erhalten

Stellungnahme zum Inception Impact Assessment zur Initiative „Legislation for plants produced by certain new genomic techniques“ | Oktober 2021

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PDF | 178.46 KB
Positionspapier Gentechnik 10b 2022 RZ

Gentechnik auch in Zukunft strikt regulieren

Positionspapier, mitgezeichnet vom Vebraucherzentrale Bundesverband

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PDF | 4.35 MB
Gen-ethischer Informationsdienst Nr. 261 Mai 2022 Artikel Jutta Jaksche

„Habe ich noch eine Wahl?“

Artikel von Jutta Jaksche, Referentin Lebensmittelpolitik im Team Lebensmittel des Verbraucherzentrale Bundesverbands | erschienen in der Zeitschrift Gen-ethischer Informationsdienst Nr. 261 | Mai 2022

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PDF | 906.84 KB
Open letter European Commission's biased road to deregulation of new GMOs

Open letter European Commission's biased road to deregulation of new GMOs

Die Konsultation der Europäische Kommission zur Neuen Gentechnik ist voreingenommen und suggestiv. Sie darf daher nicht zur Folgenabschätzung herangezogen und sollte wiederholt werden. Dies fordert der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und mit ihm weitere 39 Organisationen in einem gemeinsamen Brief. | 4. Oktober 2022

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