Datum: 14.09.2017

Die Musterfeststellungsklage muss kommen

Statement von Klaus Müller, Vorstand des vzbv, zur Musterfeststellungsklage

Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands

Quelle: Gert Baumbach - vzbv

Auf die Einführung einer Musterfeststellungsklage konnte sich die Große Koalition nicht verständigen. Spitzenpolitiker verschiedener Parteien haben im aktuellen Bundestagswahlkampf signalisiert, dass das Thema auch aus ihrer Sicht drängt. Warum der vzbv die Einführung einer Musterklage auch von einer neuen Bundesregierung mit Nachdruck fordern wird, erläutert Klaus Müller, Vorstand des vzbv.

„Nach der Bundestagswahl muss die Musterfeststellungsklage schnell umgesetzt werden. Wir brauchen keine Klageindustrie, sondern einfachen Rechtsschutz für Verbraucher. Rechtsschutz für Verbraucher darf nicht von hohen Provisionszahlungen im Erfolgsfall an Anwaltsplattformen abhängen.

Eine Klage für alle betroffenen Verbraucher stärkt die Ansprüche der Geschädigten, ist auch für Unternehmen effizienter und entlastet die Gerichte. Es kann nicht sein, dass Schäden, verursacht durch ein und denselben Rechtsverstoß, im Zweifel tausendfach vor Gericht vorgetragen werden muss. Das ist ineffizient und bisweilen auch nicht gerecht. Manche Verbraucher würden vor Klagen auch zurückschrecken, wenn das Risiko zu hoch ist, Kosten entstehen und Ärger droht.

Wir fordern nicht erst seit dem Dieselskandal, dieses juristische Instrument für besseren Verbraucherschutz auf den Weg zu bringen. Aber der Fall der Abgasmanipulation zeigt die Dringlichkeit. Unser Appell an die Politik: Wir brauchen kein Spiel auf Zeit, sondern endlich eine klare und gerechte Perspektive. Ein besserer kollektiver Rechtsschutz dient auch getäuschten Dieselfahrern.“

Klaus Müller, Vorstand des vzbv

Wenn Unternehmen durch eine rechtswidrige Handlung zahlreiche Verbraucher schädigen, muss es möglich sein, alle zentralen Rechtsfragen in einem einzigen Verfahren zu klären. Das ist die Idee der Musterfeststellungsklage. Sie verhindert, dass Forderungen der geschädigten Verbraucher verjähren und gibt allen Betroffenen Klarheit und Rechtssicherheit.

Ein Musterverfahren ist keine Sammelklage im US-amerikanischen Sinne. Ziel ist es, Verbrauchern Rechtssicherheit zu geben und die Durchsetzungsmöglichkeiten tatsächlich vorhandener Ansprüche zu erleichtern. Im günstigsten Fall endet ein Musterverfahren mit einem Vergleich und die geschädigten Verbraucher erhalten das ihnen zustehende Geld zurück. Wenn ein Vergleich nicht zustande kommt, baut ein Musterurteil in vielen Fällen hinreichend Druck auf, sodass Unternehmen freiwillig zahlen. Sollte das nicht der Fall sein, können Verbraucher das Geld, das ihnen zusteht, einzeln einklagen. Dabei können sie sich auf das verbindliche Musterurteil stützen.

  • Verjährungshemmung durch Anmeldung im Klageregister
  • Bindungswirkung des Musterurteils
  • Gegebenenfalls gerichtlicher Vergleich über Geldzahlungen an Verbraucher
  • Zügiges Verfahren möglich ohne Belastung mit Einzelfällen
  • Das Berliner Energie-Unternehmen GASAG verwendete in den Jahren 2005 und 2006 eine Preisanpassungsklausel, die der Bundesgerichtshof für unwirksam erklärte. Betroffen waren die Verträge von etwa 300.000 Kunden. Da es in Deutschland kein Verfahren mit Wirkung für alle Betroffenen gibt, musste sich die Verbraucherzentrale Berlin die Forderungen einzeln abtreten lassen. Wegen des bürokratischen Aufwands war das nur für 194 Betroffene möglich.
  • Die Verbraucherzentrale Hamburg klagte 2010 vor dem Landgericht Stuttgart gegen die Allianz Lebensversicherungs-AG wegen Vertragsklauseln zur Berechnung des Rückkaufwertes von Lebensversicherungen. Nach Schätzungen der Verbraucherzentrale summierten sich die Rückzahlungsansprüche allein gegen die Allianz auf insgesamt 1,3 bis 4 Milliarden Euro. Für das Verfahren hatten knapp 80 Verbraucher ihre Ansprüche an die Verbraucherzentrale abgetreten. Die Klage führte zu zwei Rückzahlungen in Höhe von 74.000 Euro und 40.000 Euro, einschließlich Zinsen – aber nur an die knapp 80 Verbraucher. Millionen andere Geschädigte gingen leer aus.

Bislang ist die Einführung der Musterfeststellungsklage oder alternativer Modelle von Sammel- oder Gruppenklagen am erheblichen Widerstand von Politik und Wirtschaft gescheitert.

Die Erkenntnisse aus dem im September 2015 bekanntgewordenen Abgasskandal und die dadurch ausgelösten zahlreichen Gerichtsverfahren führten erstmals zu einer stärkeren öffentlichen Wahrnehmung der gravierenden Rechtsschutzlücke im Falle von Massenschädigungen. Die Musterfeststellungsklage ist zentraler Bestandteil der Diskussion um die politischen Konsequenzen aus dem Abgasskandal.

Dabei sollte nicht übersehen werden, dass es noch viele andere Fälle von Massenschäden gab, gibt und geben wird, die ohne neue kollektive Klagemöglichkeiten – wie Musterfeststellungsverfahren – nicht bewältigt werden können.

Der vzbv fordert die künftige Bundesregierung mit Nachdruck auf, die Lücken im kollektiven Rechtsschutz bei der Bewältigung von Massenverfahren zu schließen.

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Verbrauchern zu dem Geld verhelfen, das ihnen zusteht #VerbraucherZählen

Am 24. September 2017 ist Bundestagswahl. Der vzbv fordert von den Parteien, die Bedürfnisse von Verbrauchern in den Programmen, im Wahlkampf und im Koalitionsvertrag in den Fokus zu stellen. Eine Kernforderung des vzbv umfasst die Einführung einer Musterfeststellungsklage. Weitere Informationen finden Sie hier und unter dem Hashtag #VerbraucherZählen.

Downloads

Die wichtigsten Fakten zur Musterfeststellungsklage | Kurzpapier des vzbv | September 2017

Die wichtigsten Fakten zur Musterfeststellungsklage | Kurzpapier des vzbv | September 2017

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