Bitte ziehen Sie eine Bilanz zum Krisenjahr 2022: Was waren die größten Sorgen, mit denen die Menschen in die Beratungsstellen gekommen sind?
Ganz klar die steigenden Energiepreise. Bundesweit hatten wir 2022 mehr als 19.000 Beschwerden über Preiserhöhungen oder Betragssteigerungen. 80 Prozent davon bezogen sich auf Strom und Gas.
Tatsächlich waren einige Preiserhöhungen rechtswidrig. Wir sind gegen die zwischenzeitlich teilweise herrschenden Wildwest-Methoden sowie Abzocke auf dem Energiemarkt auch juristisch vorgegangen. Bis Ende Januar 2023 haben wir 17 Klagen und drei Musterfeststellungsklagen im Energiesektor eingeleitet. Auch die Verbraucherzentralen mahnen ab und klagen. Wer sich in der Krise unrechtmäßig bereichert, muss Konsequenzen spüren.
Wie hat diese Preiskrise auch den vzbv herausgefordert?
Nicht nur die hohen Energiepreise bei Gas, Strom, Öl oder Benzin belasten die Menschen. Fast alles ist ja inzwischen teurer geworden. Die Inflation lag zwischenzeitlich bei mehr als zehn Prozent, bei manchen Lebensmitteln wie Speisefetten und -ölen sind die Preise um mehr als 40 Prozent explodiert. Wir erleben gerade die größte Verbraucherkrise seit Jahrzehnten.
Der vzbv hat dies auf allen möglichen Ebenen gemerkt. Zum einen haben uns die Menschen in den Beratungsstellen regelrecht die Türen eingerannt. Teilweise sitzen dort verzweifelte Menschen, die nicht mehr wissen, wie sie ihre Rechnungen bezahlen können. Wir haben deshalb unsere Online-Beratungen ausgebaut und über Social Media und unsere Webseite vielfältige Informationen zur Krise bereitgestellt, unter anderem Musterbriefe bei zweifelhaften Preiserhöhungen, Tipps zum Energiesparen oder einen interaktiven Rechner, mit dem Verbraucher:innen überprüfen können, ob ihr Abschlag für Strom, Gas oder Fernwärme korrekt ist.
Zum anderen waren und sind wir ein wichtiger Ansprechpartner:innen für Politik und Medien. 2022 gab es über 90.000 Medienberichte, in denen der vzbv der die Verbraucherzentralen mit Bezug zur Energiepreiskrise erwähnt wurden. Das sind im Schnitt mehr als 250 Berichte pro Tag. Der Krieg und die dadurch verschärfte Krise haben auch die Bundesregierung in einen Ausnahmezustand versetzt. Immer wieder musste umfangreiche Gesetzgebung in kürzester Zeit von der Regierung auf den Weg gebracht und vom vzbv und vielen anderen in kürzester Zeit bewertet werden. Alle waren in dieser Zeit besonders gefordert und haben diese Herausforderung angenommen. Der vzbv ist handlungsfähig.
Welche Rolle hat das Thema Energiesparen gespielt?
Eine große. Es ging und geht um nichts weniger als die Sicherstellung der ausreichenden Versorgung mit Erdgas. Gleichzeitig können Verbraucher:innen dabei eine Menge Geld sparen. Der vzbv hat sich deshalb auch an der Energiesparkampagne des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz beteiligt. Energiesparen ist weiterhin ein Gebot der Stunde. Allerdings haben wir immer betont, dass viele Menschen nicht mehr Energie sparen können, weil sie das schon zuvor gemacht haben. Ein erhobener Zeigefinger ist hier also unangebracht.
Die Mehrheit der Verbraucher:innen möchte ohnehin Energie sparen, allein schon aus Kostengründen. 2022 haben sich rund 280.000 Menschen in unserer Energieberatung beraten lassen, das waren 56 Prozent mehr als im Jahr zuvor und so viele wie noch nie. Online-Beratungen spielen hier eine immer größere Rolle, hier sind die Beratungen um mehr als das zweieinhalbfache angestiegen auf rund 18.000. Wir schätzen, dass durch die von den Energieberatungen insgesamt ausgelösten Energiesparmaßnahmen rund 3,4 Millionen Tonnen CO2 eingespart wurden. Das entspricht einem 181 Kilometer langen Güterzug voller Steinkohle.
Wie bewerten sie die Krisenpolitik der Bundesregierung?
Wir erkennen an, dass die Bundesregierung in sehr turbulenten Zeiten enorme Entlastungspakete geschnürt hat. Leider kamen diese aber häufig spät, zudem wurde viel Geld mit der Gießkanne verteilt. Haushalte mit geringem Einkommen profitieren zu wenig von diesen Hilfen. Deswegen ist ein direkter Auszahlungsweg für zielgenauere staatliche Hilfen notwendig. Ich erwarte hier im laufenden Jahr einen Vorschlag der Bundesregierung. Wir müssen aus dieser Krise lernen – und die Bundesregierung muss die Frage beantworten, was sie nach dem Auslaufen der Preisbremsen in einem Jahr machen will.