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Datum: 02.03.2023

Bahngastrechte stärken, Zuverlässigkeit erhöhen

Interview mit Marion Jungbluth, Leiterin im Team Mobilität und Reisen zur nationalen Umsetzung der Bahngastrechteverordnung

Bahnfahrenden wurde in den letzten Monaten viel zugemutet: Überfüllte Wagons, Zugausfälle, knapp jeder dritte Zug hatte in 2022 Verspätung. Eine Besserung scheint weiter nicht in Sicht. Denn obwohl ab Sommer 2023 in Deutschland neue Rechte für Fahrgäste beim Bahnfahren gelten, werden diese das Schutzniveau eher absenken, als Verbraucher:innen in ihren Rechten zu stärken. Grundlage dafür ist die auf EU-Ebene reformierte Bahngastrechteverordnung, die derzeit in nationale Gesetzgebung überführt wird.

Marion Jungbluth, Leiterin Team Mobilität und Reisen des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), erklärt im Interview, was notwendig wäre, um das Vertrauen in die Schiene wirklich zu stärken.

Marion Jungbluth, Leiterin Team Mobilität und Reisen im Verbraucherzentrale Bundesverband

Quelle: Gert Baumbach - vzbv

Frau Jungbluth, welchen Nutzen haben Fahrgastrechte für Verbraucher:innen?

Marion Jungbluth: Passagierrechte sind in erster Linie ein finanzieller Anreiz für Verkehrsunternehmen, Fahrten zuverlässig und pünktlich anzubieten. Nicht selten kommt es vor, dass Züge genau 59 Minuten zu spät ankommen. Das ist kein Zufall. Denn ab einer Stunde haben Fahrgäste den Anspruch, wegen Verspätung entschädigt zu werden. Die Unternehmen strengen sich an, diese Schwelle nicht zu reißen. Starke Fahrgastrechte sorgen so dafür, dass Bahnreisen attraktiver werden. Wenn mehr Menschen auf Bahnverkehr umsteigen, wird nicht zuletzt das Klima geschützt.

Verbraucher:innen mussten in letzter Zeit einiges beim Bahnfahren ertragen. Was bringen die neuen Regelungen den Bahngästen?

Statt Bahnfahren zu erleichtern und den Verbraucher:innen mehr Vertrauen in die Schiene zu geben, wird die neue EU-Bahngastrechteverordnung die Rechte der Bahnfahrenden in essentiellen Bereichen eher verschlechtern.

Dazu zählt insbesondere die Einführung der „Force Majeure“-Regel. Diese Regelung sieht vor, dass bei „außergewöhnlichen Umständen“ – also im Falle höherer Gewalt – die Eisenbahnunternehmen keine Entschädigung zahlen müssen, wenn es zu Verspätungen oder Zugausfällen kommt.

Was bedeutet das für die Fahrgäste?

Erfahrungen aus dem Flugbereich legen nahe, dass Fahrgäste mit einer Benachteiligung rechnen müssen. Sie können nur schwer beweisen, ob der vom Eisenbahnunternehmen vorgebrachte Ausschlussgrund stichhaltig ist. Wir erwarten daher, dass die Regel zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen und insgesamt das Vertrauen in die Eisenbahn als Verkehrsmittel weiter beeinträchtigen wird.

Was fordert der vzbv für die Umsetzung in nationales Recht?

Bei der nationalen Umsetzung der EU-Bahngastrechteverordnung haben die Mitgliedsstaaten Gestaltungsmöglichkeiten. Diese müssen jetzt genutzt werden.

Fahrgäste sollte es bei Verspätung oder Zugausfall möglichst einfach gemacht werden, eine Entschädigung zu erhalten. Der vzbv fordert daher, dass Fahrgäste künftig schon bei einer Verspätung von 30 Minuten mit einem 10-Euro-Reisegutscheins entschädigt werden. Das wäre ein starker Anreiz für die Eisenbahnunternehmen, pünktlicher zu sein. Gleichzeitig würde die Kundenzufriedenheit steigen. Und: Da zwischen 30 und 60 Minuten Verspätung die Entschädigung in Form eines 10-Euro-Reisegutscheins fällig werden, würde das Geld auch „im System“ bleiben.

Darüber hinaus müssen Bahnfahrende ihre Entschädigungsansprüche auf möglichst allen Wegen geltend machen können – also sowohl über die DB-App, mittels formlosem Antrag per Mail oder Webformular – unabhängig davon, wo das Ticket gekauft wurde. Für mehr Kundenzufriedenheit muss zudem die Bearbeitungszeit für Entschädigungsanträge bei Zugverspätungen und -ausfällen verkürzt werden. Ein Monat ist eindeutig zu lang.

Zudem setzen wir uns als vzbv dafür ein, dass Verbraucher:innen, die sich für Bus und Bahn entscheiden, garantiert ans Ziel kommen. Möglich wäre das mit einer bundesweiten Mobilitätsgarantie nach dem Vorbild der Mobilitätsgarantie in Nordrhein-Westfahlen. Hier können die Fahrgäste auf alternative Verkehrsmittel umsteigen, wenn Bus oder Bahn ausgefallen sind.

Wann tritt die neue Regulierung in Kraft?

Die EU-Verordnung tritt am 7. Juni 2023 in Kraft. Vorher können mehrere Aspekte im Zuge der nationalen Umsetzung separat geregelt werden. Die Bundesministerien für Justiz und für Digitales und Verkehr haben jetzt den formalen Gesetzgebungsprozess gestartet. Leider enttäuscht der Vorschlag des Bundekabinetts aus Sicht der Fahrgäste bisher. Der Bundestag hat es nun in den kommenden Wochen in der Hand, die Bahngastrechte wieder aufs richtige Gleis zu bringen und das Vertrauen in den Verkehrsträger Schiene zu stärken.

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