- Bundesgerichtshof hat im Jahr 2024 einen Referenzzinssatz für die Nachberechnung von Prämiensparverträgen festgelegt
- Vor allem Sparkassen verweigern oder verschleppen immer wieder Zinsnachzahlungen
- vzbv fordert: Finanzaufsicht BaFin braucht zum Durchsetzen von kollektivem Verbraucherschutz mehr Rechtssicherheit

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Eine Auswertung des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) zeigt: Banken und vor allem Sparkassen verweigern immer wieder die Neuberechnung und Nachzahlung der Zinsen. Bereits seit 2004 ist klar: Banken und Sparkassen hatten Verbraucher:innen mit Prämiensparverträgen teilweise über Jahrzehnte zu geringe Zinsen gezahlt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte im Juli 2024 unter anderem einen möglichen Referenzzinssatz bestätigt.
„Es ist seit Langem klar, dass Banken und Sparkassen beim Thema Prämiensparen irgendwann Zinsen nachberechnen – und in vielen Fällen nachzahlen müssen. Trotzdem kommen Verbraucherinnen und Verbraucher offenbar häufig nicht an ihr Geld“, sagt Dorothea Mohn, Finanzmarktexpertin beim vzbv. Viele Ansprüche seien in Folge der jahrzehntelangen Rechtsstreitigkeiten bereits verjährt, aber eben nicht in allen Fällen.
„Es sind offenbar vor allem Sparkassen, also Kreditinstitute mit einem öffentlichen Auftrag, die versuchen, Zinsnachzahlungen zu vermeiden“, so Mohn weiter.
Mauern und auf Zeit spielen
Eine vzbv-Auswertung von knapp 300 Reaktionen von Sparkassen und Banken auf das BGH-Urteil zum Prämiensparen von 2024 zeigt: Banken und vor allem Sparkassen lehnen die Zinsnachberechnung immer wieder ab, obwohl der BGH Vorgaben gemacht hatte, wie die Zinsen berechnet werden können. Ein häufig angeführter Grund: Die Urteile wären nicht allgemeingültig und würden nur für die Saalesparkasse und die Ostsächsische Sparkasse Dresden gelten, gegen die Verbraucherzentralen direkt geklagt haben.
Neuberechnungen durch Kreditinstitute sind teilweise fehlerhaft und weisen damit zu geringe Nachzahlungsbeträge auf. In anderen Fällen sind die Berechnungsgrundlagen der Banken unzureichend oder werden intransparent wiedergegeben.
Banken und Sparkassen nutzen regelmäßig formale Argumente, wie angeblich falsche Einträge ins Klageregister, knüpfen die Nachberechnung an Bedingungen oder berufen sich auf vermeintliche Sonderfälle. Verbaucher:innen durchschauen das meist nicht. Zudem spielen einige Sparkassen auf Zeit. Dies kann für einzelne Verbraucher:innen zur Folge haben, dass sie mit ihren Ansprüchen in die Verjährung rutschen.
BaFin braucht mehr Rechtssicherheit
„Die Finanzaufsicht BaFin hat 2021 mit einer Allgemeinverfügung versucht, Verbraucherinnen und Verbraucher zu ihrem Recht zu verhelfen. Das Scheitern vor dem Verwaltungsgericht im Fall Prämiensparen zeigt aber, dass der Behörde die Rechtssicherheit fehlt“, sagt Mohn. Die BaFin sei immer dann aufgefordert zu handeln, wenn kollektive Verbraucherinteressen betroffen sind. „Das ist hier ganz klar der Fall, denn es geht um sehr viele Verträge und um viel Geld“, sagt Mohn. „Die neue Bundesregierung muss beim allgemeinen Verbraucherschutz der BaFin für mehr Klarheit und Rechtssicherheit sorgen.“
Hintergrund
Zwischen 1990 und 2005 hatten viele Verbraucher:innen langlaufende Sparverträge mit variablen Zinsen und laufzeitabhängigen Sparprämien abgeschlossen. Nach Angaben der BaFin gab es noch im Jahr 2021 über 1,1 Millionen Prämiensparverträge in Deutschland. Die Vertragsklausel, die den meisten Zinsanpassungen zu Grunde lag, hatte der BGH bereits im Jahr 2004 für rechtswidrig erklärt. Daraufhin hatten viele Banken und Sparkassen neue Klauseln zur Zinsanpassung auf bestehende Verträge übertragen. Auch diese Praxis wurde im Jahr 2010 vom BGH verworfen. Der BGH hat im Juli 2024 nach Klagen der Verbraucherzentralen und des Verbraucherzentrale Bundesverbands entschieden, welche Referenzzinsen und welche Anpassungsmethoden grundsätzlich rechtens sind.
Seit 2015 ist die BaFin für den Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen verantwortlich und kann auch auf Grundlage von zivilrechtlichen Schutzvorschriften handeln, wenn die kollektiven Verbraucherinteressen betroffen sind. Im Fall Prämiensparen hat sie 2021 eine Allgemeinverfügung erlassen, um Banken und Sparkassen dazu verpflichten, ihre Kund:innen über die Unwirksamkeit der Zinsanpassung zu informieren. Dazu sollten die Institute den Verbraucher:innen entweder eine wirksame Zinsanpassung oder eine Nachzahlung nach Maßgabe der zukünftigen Rechtsprechung zusichern. Gegen die Maßnahme der BaFin hatten Banken und Sparkassen vor Gericht geklagt. Im Oktober 2024 hat das Verwaltungsgericht Frankfurt die Verfügung der BaFin zunächst aufgehoben. Die BaFin hat Berufung vor dem Verwaltungsgerichtshof Kassel eingelegt.