Der heute vorgelegte Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten entlang globaler Lieferketten ist aus Sicht des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) halbherzig.
Jutta Gurkmann, Geschäftsbereichsleitung Verbraucherpolitik des vzbv, kommentiert:
Bei Menschenrechten und Umweltschutz sollte die Europäische Kommission keine halben Sachen machen – danach sieht es aktuell aber aus. Der heute veröffentlichte Vorschlag hätte weitreichender ausfallen müssen. Positiv ist, dass Unternehmen entlang ihrer gesamten Lieferkette in die Verantwortung genommen werden und das auch haftungsbewährt. Die Sorgfaltspflichtenregulierung soll nach den Vorschlägen der Europäischen Kommission allerdings nicht für kleine und mittlere Unternehmen gelten. Diese machen aber etwa 99 Prozent aller Unternehmen in der Europäischen Union aus. Die Beschränkung der Sorgfaltsprüfung auf „etablierte Geschäftsbeziehungen“ könnte außerdem dazu führen, dass Unternehmen, die oft ihre Zulieferer wechseln, auf diese Weise die Regeln umgehen können.
Wenn die EU ihre Nachhaltigkeitsversprechen und den Klimaschutz ernst nimmt, müssen das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union im Gesetzgebungsprozess nachbessern. Die Vorschriften müssen für Unternehmen jeder Größe gelten. Klare klimabezogene Pflichten in der Lieferkette müssen einbezogen werden. Es darf zudem keine Schlupflöcher geben, mit denen sich Unternehmen der Haftungsregelung entziehen können. Würde der aktuelle Entwurf der Europäischen Kommission beschlossen, könnten europäische Unternehmen sich lediglich von ihren Geschäftspartnern vertraglich zusichern lassen, dass diese sich an den Verhaltenskodex des Unternehmens halten, und wären so vor zivilrechtlichen Haftungsansprüchen sicher.
Nachhaltiger Konsum beginnt am Anfang der Lieferkette und setzt voraus, dass alle Unternehmen Verantwortung für ihre gesamten Lieferketten übernehmen. Wenn Unternehmen unsozial und unökologisch produzieren, können es Verbraucher:innen beim Einkauf nicht mehr richten. Die EU hat eine historische Chance, mit einer ambitionierten Sorgfaltspflichtenregulierung klare Spielregeln für globale Lieferketten zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt in den Produktionsländern europäischer Konsumgüter zu schaffen. Verbraucher:innen stehen hinter einer ambitionierten Regelung. Die Mehrheit wünscht sich eine starke, umfängliche und weitreichende Regulierung von Sorgfaltspflichten in Lieferketten – kurzum: Verbraucher:innen wollen keine Lightversion.
Im Vorschlag der Europäischen Kommission ist ein Haftungsmechanismus vorgesehen. Auch der Anwendungsbereich wirkt auf den ersten Blick groß. Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten sind berührt, sowie Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeiter:innen, wenn sie in Branchen agieren, bei denen ein größeres Risiko für Verstöße gegen Umwelt- und Menschenrechtsvorschriften besteht. Insgesamt sind das allerdings nur 1 Prozent der im Binnenmarkt agierenden Unternehmen.