Die Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland will keine Gentechnik im Essen, auf dem Acker oder im Stall – das zeigen Umfragen seit vielen Jahren immer wieder.
Laut der Naturbewusstseinsstudie aus dem Jahr 2019 zum Beispiel äußern mehr als 80 Prozent der Befragten ethische Bedenken gegen gentechnische Veränderungen von Pflanzen und Tieren. 81 Prozent finden ein Verbot von Gentechnik in der Landwirtschaft „sehr wichtig“ oder „wichtig“ . 2017 gaben 77 Prozent der Verbraucher:innen in einer Umfrage an, dass sie sich Milchprodukte aus gentechnikfreier Erzeugung wünschen.
Pflanzen und pflanzliche Produkte, die Ergebnis einer gentechnischen Veränderung sind, dürfen in Europa nicht ohne Kennzeichnung vermarktet werden. Aus diesem Grund bieten in Deutschland weder Landwirte, noch die lebensmittelverarbeitenden Unternehmen oder der Handel solche kennzeichnungspflichtigen Lebensmittel an. Die allermeisten Verbraucher würden sie auch schlichtweg nicht kaufen. Vor allem deshalb ist die gesamte konventionelle pflanzliche Lebensmittelerzeugung in Deutschland gentechnikfrei.
Von der verpflichtenden Kennzeichnung sind tierische Produkte wie Eier, Milch oder Wurst, bei deren Erzeugung gentechnisch veränderte Futtermittel zum Einsatz gekommen sind, ausgenommen. Hier war die Wahlfreiheit für Verbraucher lange de facto eingeschränkt. Um diese Lücke in der europäischen Gesetzgebung wenigstens ein Stück weit zu füllen, hat die Bundesregierung 2009 die freiwillige „Ohne Gentechnik“-Kennzeichnung eingeführt. Das Marktsegment für diese Produkte wächst stetig, 2019 haben Hersteller und Verarbeiter damit 8,8 Milliarden Euro umgesetzt. Auch der Umsatz mit Produkten aus ökologischer Landwirtschaft ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen und zwar auf knapp 15 Milliarden Euro. Diese verzichtet vollständig auf gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere. Es werden auch keine gentechnisch veränderte Pflanzen an Tiere verfüttert.
Die Gründe, aus denen Verbraucher Gentechnik in der Landwirtschaft ablehnen, sind vielfältig. Sie gelten für die alte Gentechnik genauso wie für neue gentechnische Verfahren wie Genome Editing. Die Naturbewusstseinsstudie 2019 ergab beispielsweise, dass fast 90 Prozent der Deutschen bezweifeln, dass die langfristigen Folgen neuer gentechnischer Verfahren aktuell abzusehen sind.
Befürworter der Gentechnik unterstellen mitunter, dass Verbraucher Gentechnik deshalb so deutlich ablehnten, weil ihnen Wissen über die Vorteile und Chancen dieser Technologie fehle. Eine Verbraucherkonferenz des Bundesamtes für Risikobewertung (BfR), die 2019 stattfand, legt jedoch nahe, dass dies keineswegs der Fall ist. Eine Gruppe von 20 Verbraucher konnte sich über mehrere Wochen ein differenziertes Bild über die Vor- und Nachteile von Gentechnik in der Landwirtschaft und insbesondere Genome Editing bilden. Sie konnten Expertinnen und Experten befragen, Informationsmaterial sichten und intensiv untereinander debattieren. Die Gruppe kam zu dem Schluss, dass neue Technologien auch Chancen bieten können. Die strenge Regulierung der Gentechnik in Europa solle jedoch keinesfalls aufgegeben werden. Die oben bereits erwähnte Naturbewusstseinsstudie 2019 ergab: 95 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass mögliche Auswirkungen auf die Natur immer untersucht werden sollten, wenn Pflanzen mit neuen Verfahren gentechnisch verändert werden.
Die Verbrauchergruppe der BfR-Konferenz betonte, dass der Umbau der Landwirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit zu den drängenden gesellschaftlichen Aufgaben gehöre. Keine neue Technik dürfe die Notwendigkeit dieses gesellschaftlichen, also umfassenden, Wandels ausbremsen und jegliche Zulassung müsse die Auswirkungen des Produktes unter anderem auf Nachhaltigkeit, Gesundheit, Klima, Artenvielfalt und Tierwohl berücksichtigen. Der Wunsch der Verbrauchergruppe nach einer nachhaltigeren Landwirtschaft und klaren gesetzlichen Vorgaben für eine umweltfreundlichere Produktion deckt sich mit Ergebnissen aus repräsentativen Befragungen.
Verbraucher wollen darauf vertrauen können, dass die gesetzlichen Vorgaben für den Einsatz von Gentechnik strenge Kriterien an die Sicherheits- und Risikoprüfung vorsehen und dass der Einsatz von Gentechnik auf Lebensmitteln gekennzeichnet wird. Denn nur dann haben Verbraucher Wahlfreiheit und können informierte Kaufentscheidungen treffen.
Die Mehrheit der Verbraucher will an neue gentechnische Verfahren wie Genome Editing dieselben strengen Anforderungen für die Zulassung, Überwachung, Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung angelegt sehen, wie bei der „alten“ Gentechnik. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2018 ist deshalb ein gutes Urteil für Verbraucher. Es bestätigt das Vorsorgeprinzip und schützt die Wahlfreiheit.
Eine Abschwächung des Europäischen Gentechnikrechts und Ausnahmen für Lebensmittel, die mithilfe von Genome Editing erzeugt werden, wäre ein Angriff auf die Wahlfreiheit und die Souveränität der Verbraucher. Der Schutz vor Verunreinigungen und von gentechnikfreien Lieferketten für die ökologische und konventionelle Landwirtschaft würde immer schwieriger.
Die Mehrheit der Verbraucher wünscht sich eine nachhaltigere, tier- und umweltfreundliche Landwirtschaft. Schon die alte Gentechnik war vor Jahrzehnten mit dem Versprechen angetreten, Landwirtschaft nachhaltiger zu machen, den Hunger zu mindern oder für Menschen besonders gesunde Pflanzen hervorzubringen. Erfüllt haben sich diese Versprechen nicht, im Gegenteil. Kommerziell vertrieben werden bis heute vor allem pestizidresistente Pflanzen – gemeinsam mit den auf sie zugeschnittenen hohen Mengen an Pestiziden.
Die Befürworter:innen einer Deregulierung des Genome Editing wiederholen die Versprechen. Dass diese sich nun erfüllen, ist äußerst unwahrscheinlich.
Für eine nachhaltige Landwirtschaft braucht es sehr viel mehr als eine neue Technologie, die das Erbgut von Tieren und Pflanzen verändern kann. Um Artenvielfalt und Böden zu schützen, die Klimaauswirkungen der Landwirtschaft zu verringern und für gesunde Lebensmittel zu sorgen, ist ein grundlegender Umbau von Ackerbau und Tierhaltung mit hohen Umwelt- und Tierschutzstandards dringend notwendig. Dafür braucht es Sortenvielfalt und die Stärkung eines regional angepassten, ressourcenschonenden Anbaus einschließlich besserer regionaler Wertschöpfungsmöglichkeiten für Landwirtinnen und Landwirte. Was es nicht braucht, ist noch mehr Abhängigkeit von einigen wenigen Saatgutkonzernen mit ihrem patentierten Saatgut und den dazugehörigen Pestiziden.
Aus Verbraucherschutzsicht sollten Genome-Editing-Technologien weiterhin genauso wie bisher als Gentechnik behandelt und keinesfalls von der Regulierung ausgenommen oder abgestuft behandelt werden. Pflanzen und Tiere, die mithilfe von Genome Editing erzeugt worden sind, müssen weiterhin für Verbraucher erkennbar gekennzeichnet werden. Sie sollten selbstverständlich auch strengen Zulassungsverfahren unterworfen werden sowie lückenlos zurück zu verfolgen sein. Um das sicherzustellen, müssen Nachweisverfahren entwickelt werden. Zudem bedarf es einer Prüfung der gesundheitlichen und ökologischen Unbedenklichkeit, sowohl vor der ersten Anwendung als auch über einen längeren Anwendungszeitraum. Für Verfahren, wie das Genome Editing, gibt es keinen ausreichenden Erfahrungshintergrund. Gentechnik ist in der Regel nicht rückholbar, wenn sie erst einmal freigesetzt ist. Deshalb darf es keinen Freifahrtschein für gentechnische Verfahren geben.
Um die gentechnikfreie Landwirtschaft in Deutschland und Europa zu erhalten und Verbraucher ebenso wie Züchter, Landwirte, Verarbeiter und dem Handel weiterhin Wahlfreiheit zu ermöglichen, ist es unabdingbar, die europäische Gentechnikgesetzgebung beizubehalten und nicht aufzuweichen.