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Datum: 09.05.2022

Habe ich noch eine Wahl?

Verbraucher:innen möchten darauf vertrauen, dass Lebensmittel als gentechnisch verändert gekennzeichnet sind. Von Jutta Jaksche

Verbraucher:innen möchten darauf vertrauen, dass ihre Lebensmittel sicher sind und entsprechend als „ohne Gentechnik“ oder eben als gentechnisch verändert gekennzeichnet sind. Das geht nur, wenn die bewährten Instrumente des Gentechnik-Rechts erhalten bleiben.

Gentechnik im Lebensmittellabor

Quelle: Gerhard Seybert - adobestock.de

Die überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland steht der Gentechnik in Lebensmitteln und in der Landwirtschaft auch nach 20 Jahren Diskussion über Chancen und Risiken kritisch gegenüber. Dies betrifft auch die neuen Gentechnik-Verfahren, wie z.B. CRISPR-Cas, was Umfragen und Fokusgruppenbefragungen deutlich zeigen. Diese Ablehnung wird auch von sehr gut informierten Verbraucher:innen formuliert, ist also kein Ergebnisse von Unkenntnis. Auch junge Menschen teilen diese Haltung: 86 Prozent der Jugendlichen sprechen sich dafür aus, dass mögliche Auswirkungen der Gentechnik auf die Natur immer untersucht werden sollen, davon 61 Prozent mit Nachdruck.

Auch das Interesse der Verbraucher:innen an der Produkt- und Prozessqualität ist, insbesondere als Folge zahlreicher Lebensmittelkrisen, in den vergangenen 20 Jahren stark gestiegen. Folglich war es sehr in ihrem Sinne, dass das Gentechnik-Recht aus dem Jahr 2003 den Ansatz der Prozesskennzeichnung aufgenommen hat: Es regelt nicht nur Lebens- und Futtermittel, die gentechnisch veränderte Organismen (GVO) enthalten, sondern auch Lebens- und Futtermittel, die aus GVO hergestellt werden. Wenn die GVO selbst nicht mehr nachgewiesen werden können, wie z.B. bei raffiniertem Pflanzenöl, wird der Nachweis über eine Dokumentation erforderlich. Herkunft und Produktionsverfahren bzw. -prozesse müssen rückverfolgbar und Produkte gekennzeichnet sein. Die Entwicklung und Anwendung dieser Instrumente auch bei den neuen Gentechnik-Verfahren entspricht dem Wunsch der Verbraucher:innen und muss vor allem von der EU-Kommission dringend auf den Weg gebracht werden.

Menschen, Tiere und die Umwelt könnten ihren Schutz verlieren

Verbraucher:innen möchten auch weiterhin darauf vertrauen, dass die Lebensmittel, die sie kaufen, für die Gesundheit von Mensch und Tier sicher und ethisch verantwortbar sind. Für die Umwelt dürfen sie kein Risiko darstellen. Eingriffe in die Natur, die nicht zurückzuholen sind, müssen grundsätzlich unterbleiben. Die Europäische Verordnung über genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel aus dem Jahr 2003 dient eben diesen Schutzzielen, formuliert ausdrücklich auch Verbraucher:inneninteressen und fordert, dass gv-Lebens- und Futtermittel einer Sicherheitsprüfung unterzogen werden müssen, bevor sie in Verkehr gebracht werden. Sollte in Folge einer Deregulierung die sogenannte Einzelfall-Risikobewertung sowie die Zulassung wegfallen, könnten Menschen, Tiere und die Umwelt ihren Schutz verlieren.

Zukünftig keine Untersuchung auf Risiken mehr?

Die EU-Kommission plant, jene neuen gentechnischen Verfahren vom Gentechnik-Recht auszunehmen, die keine zusätzlichen Gene in die Pflanzen einbringen. Dass aber auch solche Verfahren tiefgreifende Veränderungen ermöglichen, zeigt z.B. eine gv-Tomate aus Japan: Sie wurde mit CRISPR-Cas entwickelt und weist einen erhöhten Wert des blutdrucksenden Wirkstoffs γ-Aminobuttersäure (GABA) auf. Mit ihrem Anbau und dem Verzehr gehen Risiken einher, die eine genaue Untersuchung erforderlich machen, bevor ein Urteil über die Sicherheit des Produkts gefällt werden kann. In Japan ist sie bereits auf dem Markt erhältlich, nach Aussagen einer japanischen Verbraucherschutzorganisation gab es jedoch keine eingehende Untersuchung der Risiken.

Rechte der Verbraucher:innen würden verletzt

Eine Schwächung der aktuell in der EU fest etablierten Instrumente der Risikobewertung, Zulassung, Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung würde die Verbraucher:innen folglich zum Teil bekannten, aber auch noch unbekannten Risiken aussetzen. Das würde dem europäischen Prinzip und Versprechen der Vorsorge widersprechen. Verbraucher:innen würde die Wahlfreiheit und die Möglichkeit genommen, eine gentechnikfreie Landwirtschaft zu unterstützen.

Vertreter:innen der EU-Kommission haben zudem in Aussicht gestellt, den Nutzen von mit neuer Gentechnik hergestellten Produkten zukünftig stärker gewichten zu wollen als dies bisher der Fall war. Eine Verrechnung von einem hypothetischen Nutzen mit Risiken darf aber nicht zulässig sein, weil dies eine Aufweichung des Sicherheitsniveaus bedeuten könnte. Sicherheit muss die Voraussetzung für etwaige Nutzenüberlegungen sein.

Verbraucher:innen legen großen Wert darauf, dass ihre Lebensmittel klar als gentechnisch verändert bzw. als „ohne Gentechnik“-Produkte erkennbar sind. Das zeigen die Erfolgszahlen der Vermarktung von „Ohne Gentechnik“-Produkten. Setzt die EU-Kommission ihre Pläne um, könnte den Menschen ihr Recht auf Wahlfreiheit genommen werden. Denn es ist zu befürchten, dass die EU-Kommission besonders an der Kennzeichnungsregelung Änderungen vornehmen möchte.

Es droht ein erheblicher Vertrauensverlust

Sollten die strengen Regelungen des europäischen Gentechnik-Rechts in Zukunft wegfallen, würden die im europäischen Recht adressierten Verbraucher:inneninteressen bewusst ignoriert werden. Der Vertrauensverlust bei Verbraucher:innen würde nicht nur dadurch ausgelöst, dass die Mehrheitswünsche von Menschen einfach übergangen werden. Schwer würde auch wiegen, dass dies gegen die Hinweise der kritischen Wissenschaft passieren würde, die auf die Risiken hinweist, aber von der EU-Kommission nicht gehört wird. Beugt sich die EU-Kommission den Wünschen der Gentechnik-Industrie, gibt sie ein Recht auf, das sie selbst geschaffen hat und ein Prozedere, das gut etabliert ist und für Sicherheit und Wahlfreiheit der Verbraucher:innen sorgt.

Der Beitrag erschien zuerst im Gen-ethischen Informationsdienst Nr. 261 im Mai 2022.

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Gen-ethischer Informationsdienst Nr. 261 Mai 2022 Artikel Jutta Jaksche

„Habe ich noch eine Wahl?“

Artikel von Jutta Jaksche, Referentin Lebensmittelpolitik im Team Lebensmittel des Verbraucherzentrale Bundesverbands | erschienen in der Zeitschrift Gen-ethischer Informationsdienst Nr. 261 | Mai 2022

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