Datum: 20.05.2021

Zur Haftung einer Reiseversicherung für Kosten eines Ersatzfluges bei coronabedingter Flugannullierung

Urteil des AG München vom 20.05.2021 (275 C 23753/20)

Bei der Corona-Pandemie handelt es sich mangels unmittelbarer physischer Auswirkungen, lokalem Auftreten und zeitlicher Eingrenzung um keine typische Naturkatastrophe.

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Quelle: Gina Sanders - Fotolia.com

Das Amtsgericht München hatte über den nachfolgenden Sachverhalt zu entscheiden: Der spätere Kläger schloss bei der Beklagten am 27.01.2020 eine Reiserücktrittsversicherung ab, die auch eine Reiseabbruchsversicherung beinhaltete. Nach den Versicherungsbedingungen gewährt die Beklagte Versicherungsschutz für die Mehrkosten einer nicht planmäßigen Rückreise, wenn am Urlaubsort eine Naturkatastrophe herrscht. Der Kläger buchte am 04.03.2020 für sich und einen Mitreisenden eine Reise nach Sri Lanka vom 07.03.2020 bis 29.03.2020. Die Fluggesellschaft strich am 24.03.2020 aufgrund der durch das Coronavirus hervorgerufenen Reisebeschränkungen den Rückflug. Daraufhin buchte der Kläger für sich und seinen Begleiter Rückflüge für den 27.03.2020 von Colombo nach Zürich. Die insoweit entstandenen Kosten in Höhe von 3.610 € stellte der Kläger dem Reiseversicherer in Rechnung. Er macht geltend, dass es sich bei der Corona-Pandemie sich um eine Naturkatastrophe handele, sodass der Versicherer die Mehrkosten zu tragen habe. Die hohen Kosten für die Ersatzflüge seien darauf zurückzuführen, dass es sich bei diesen um die einzig verbliebene Rückreisemöglichkeit gehandelt habe. Die Beklagte ist der Auffassung, die versicherten Risiken seien in den Versicherungsbedingungen abschließend aufgezählt worden. Eine Pandemie als versichertes Ereignis sei gerade nicht genannt worden.

Das Amtsgericht München urteilte gegen den Kläger. Bei der Corona-Pandemie handelt es sich mangels unmittelbarer physischer Auswirkungen, lokalem Auftreten und zeitlicher Eingrenzung um keine typische Naturkatastrophe. Auswirkungen auf die Umwelt, insbesondere das öffentliche Leben, treten vermittelt durch staatliche Schutzmaßnahmen ein, bei denen es sich um politische Ermessensakte handelt. Bei Auswirkungen durch staatliche Maßnahmen liegt begrifflich aber keine Naturkatastrophe vor, da diese höchst unterschiedlich ausfallen können. Die Auswahl der Schutzmaßnahmen folgt weltweit verschiedenen Ansätzen. Schutzkonzepte wurden im Laufe der Zeit geändert und angepasst. In Ländern mit strengen Schutzkonzepten sind die Auswirkungen auf das öffentliche Leben stärker spürbar als in Ländern, die weniger strenge Ansätze verfolgen. Kennzeichnend für eine Naturkatastrophe ist aber, dass sie an jedem Ort die gleichen Auswirkungen hätte. Auch in zeitlicher Hinsicht unterscheidet sich die Corona-Pandemie von einer Naturkatastrophe. Bei dieser besteht die Gefahrenquelle typischerweise für einen nur begrenzten Zeitraum von maximal einigen Wochen. Die Gefahr durch das Coronavirus besteht aber bereits um ein vielfältiges länger und wird auch aufgrund seiner dezentralen Entwicklung noch länger eine Gefahr darstellen.

Hinweis: An diesem Verfahren war der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) nicht beteiligt.

Datum der Urteilsverkündung: 20.05.2021
Aktenzeichen: 275 C 23753/20
Gericht: AG München

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