Datum: 25.05.2021

Zur Eigenbedarfskündigung gegenüber alten Mietern

Urteil des LG Berlin vom 25.05.2021 (67 S 345/18)

Eine Interessenabwägung zugunsten des Vermieters kommt bei kündigungsbedingten Verletzungen der Menschenwürde des Mieters allenfalls dann in Betracht, wenn der Vermieter besonders gewichtige persönliche oder wirtschaftliche Nachteile für den Fall des Fortbestandes des Mietverhältnisses geltend machen könne, die ein den Interessen des betagten und an seinem Wohnort tief verwurzelten Mieters zumindest gleichrangiges Erlangungsinteresse begründeten.

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Quelle: Gina Sanders - Fotolia.com

In dem vorliegenden Fall stritten die Parteien über die Räumung und Herausgabe einer Wohnung, die die jetzt 89-jährige Beklagte 1997 von den Rechtsvorgängern der Klägerin angemietet hatte. Die Klägerin erklärte erstmals im Jahr 2015 und wiederholte in der Folge die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs. Die Beklagte und ihr mittlerweile verstorbener Ehemann widersprachen den Kündigungen unter Verweis auf ihr hohes Alter, ihren beeinträchtigten Gesundheitszustand, ihre langjährige Verwurzelung am Ort der Mietsache und ihre für die Beschaffung von Ersatzwohnraum zu beschränkten finanziellen Mittel.

Das Amtsgericht Berlin-Mitte hatte die von der Klägerin erhobene Räumungsklage abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung der Klägerin hatte zunächst keinen Erfolg. Das LG Berlin wies sie 2019 mit der Begründung zurück, der Beklagten stehe allein aufgrund ihres hohen Lebensalters ein Anspruch auf eine zeitlich unbestimmte Fortsetzung des Mietverhältnisses zu. Die gegen dieses Berufungsurteil des LG Berlin eingelegte Revision war teilweise erfolgreich, der BGH verwies die Sache an das Landgericht Berlin zurück. Das hohe Alter eines Mieters begründe allein und ohne weitere Feststellungen zu den sich hieraus ergebenden Folgen für den betroffenen Mieter grundsätzlich noch keine Härte. Zudem hänge eine tiefe Verwurzelung des Mieters am Ort der Mietwohnung maßgeblich von der individuellen Lebensführung des jeweiligen Mieters ab.

Mit der vorliegenden Entscheidung hat das LG Berlin die Berufung der Klägerin jetzt erneut zurückgewiesen. Es führt aus, dass Mieter sich im Einzelfall auch ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen auf eine Fortsetzung des Mietverhältnisses berufen können. Dies gelte jedenfalls dann, wenn sich die Mieter zum Zeitpunkt des Wohnungsverlustes bereits in einem hohen Lebensalter befinden und zudem aufgrund eines langjährigen Mietverhältnisses tief am Ort der Mietsache verwurzelt sind. Diese Voraussetzungen sind nach Ansicht des Landgerichts Berlin vorliegend gegeben. Die Folgen des Wohnungsverlustes seien für die Beklagte so gravierend, dass sie auf eine Verletzung ihrer durch Art. 1 Abs. 1 GG garantierten Menschenwürde hinausliefen. Die Interessen der klagenden Vermieterin müssen nach Meinung des Landgerichts dahinter zurückstehen.

Eine Interessenabwägung zugunsten des Vermieters käme bei kündigungsbedingten Verletzungen der Menschenwürde des Mieters allenfalls dann in Betracht, wenn der Vermieter besonders gewichtige persönliche oder wirtschaftliche Nachteile für den Fall des Fortbestandes des Mietverhältnisses geltend machen könne, die ein den Interessen des betagten und an seinem Wohnort tief verwurzelten Mieters zumindest gleichrangiges Erlangungsinteresse begründeten. Ein entsprechend hohes Erlangungsinteresse könne die Klägerin aber in diesem Fall nicht geltend machen, da die von ihr beabsichtigte Eigennutzung der Wohnung lediglich auf bloßen Komfortzuwachs und die Vermeidung unerheblicher wirtschaftlicher Nachteile gerichtet sei.

Hinweis: An diesem Verfahren war der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) nicht beteiligt. Gerne informiert Sie der vzbv alle vier bis sechs Wochen mit einem kostenlosen Newsletter über neue Urteile zum Verbraucherrecht

Datum der Urteilsverkündung: 25.05.2021
Aktenzeichen: (67 S 345/18)
Gericht: LG Berlin

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