Das Abfüllen zulassungspflichtiger Fertigarzneimittel zu verbrauchsfähigen Einheiten in Apotheken ist kein Herstellungsschritt im engeren Sinne. Beim abgefüllten Endprodukt handelt es sich weiterhin um ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel und nicht um ein zulassungsfreies Rezepturarzneimittel.
Der Entscheidung des OLG Hamburg liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin ist Zulassungsinhaberin und pharmazeutische Unternehmerin des Arzneimittels „Dropziol 10mg/ml Tropfen zum Einnehmen, Lösung", das zur Behandlung schwerer Durchfälle z.B. durch Zytostatika, Bestrahlung oder neuroendokrine Tumore zugelassen ist. Dabei handelt es sich um eine „eingestellte Opiumtinktur“, die unter das Betäubungsmittelgesetz fällt. Die Beklagte betreibt eine Apotheke in Hamburg. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung des Vertriebs einer Opiumtinktur als Arzneimittel ohne Arzneimittelzulassung in Anspruch. Die beklagte Apothekenbetreiberin macht geltend, es handle sich bei der von ihr abgegebenen Tinktur nicht um ein zulassungsbedürftiges Fertigarzneimittel, sondern um ein zulassungsfreies Rezepturarzneimittel, welches in der Apotheke erst hergestellt werde. Sie stützt dies darauf, dass die streitgegenständliche Tinktur erst durch das patientenindividuelle Um- und Abfüllen in der Apotheke verbrauchsfertig werde. Das Landgericht verurteilt die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung dieser Praxis. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
Die Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Landgericht habe zutreffend angenommen, dass es sich bei der von der Beklagten abgegebenen Opiumtinktur um ein Fertigarzneimittel handele, das die Beklagte unter Verstoß gegen § 21 Abs. 1 AMG ohne die erforderliche Zulassung in den Verkehr gebracht habe, indem sie das im Voraus hergestellte Arzneimittel abgefüllt und mit einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung an Patienten abgegeben hat. Es reiche nicht aus, ein industriell gefertigtes Zwischenprodukt durch reines Abfüllen in ein Fertigarzneimittel zur Anwendung am Menschen umzuwandeln, ohne jeglichen Zulassungsprozess. Das Rezepturprivileg diene nur der apothekerseitigen Herstellung einer Rezeptur in individueller Zusammensetzung, Stärke und Darreichungsform der verwendeten arzneilichen Stoffe und Stoffzusammensetzungen nach Maßgabe der vom Arzt individuell bestimmt und verantworteten Art. Die Zulassungsbefreiung für Rezepturarzneimittel beruhe ferner auf dem Umstand, dass für einzelne individuelle Zubereitungen die Absolvierung eines Zulassungsverfahrens nicht praktikabel sei. Vorliegend handle es sich um die unzulässige Abgabe eines Fertigarzneimittels ohne Zulassung.
Hinweis: An diesem Verfahren war der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) nicht beteiligt. Gerne informiert Sie der vzbv alle vier bis sechs Wochen mit einem kostenlosen Newsletter über neue Urteile zum Verbraucherrecht.
Datum der Urteilsverkündung: 05.06.2023
Aktenzeichen: 3 U 43/21
Gericht: OLG Hamburg