Datum: 19.05.2022

Zu den Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln

Beschluss des VG Berlin vom 19.05.2022 (14 L 1112/22)

Lebensmittel, die sich nicht zweifelsfrei auf eine Produktionsstätte zurückverfolgen lassen, dürfen nicht für den menschlichen Verzehr in den Verkehr gebracht werden.

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Quelle: Gina Sanders - Fotolia.com

Der Entscheidung des VG Berlin liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Antragstellerin betreibt in Berlin einen Hauptstandort zur Produktion von Dönerspießen. Daneben unterhält sie in einem anderen Berliner Stadtteil einen Nebenstandort zur Herstellung von Backwaren sowie einen Groß- und Einzelhandel mit Back- und Süßwaren. Am 27. und 28. August wurden nachweislich insgesamt 20 Paletten mit Dönerspießen bei einer Transporttemperatur von -18°C vom Haupt- zum Nebenstandort transportiert. Am 30. August 2021 führte das zuständige Bezirksamt am Nebenstandort eine lebensmittelrechtliche Kontrolle durch. Zu diesem Zeitpunkt fand unstreitig eine Produktion von Dönerspießen durch jedenfalls fünf Mitarbeiter:innen der Antragstellerin zu einem streitigen Zweck statt. Im Tiefkühlraum stellte das Bezirksamt 121 mit Folie umwickelte Dönerspieße streitiger Produktionsherkunft überwiegend mit Produktionsdatum 27.-28. August 2021 und einer gemessenen Kerntemperatur von +9°C fest. Daneben stellte das Bezirksamt in drei Tiefkühlcontainern weitere tiefgefrorene, in Kartons verpackte Dönerspieß-Paletten sicher, an welchen ordnungsgemäße Temperaturen im Minusbereich gemessen werden konnten. Am 09. September 2021 wurde die Sicherstellung der Spieß-Paletten aus dem Tiefkühlcontainer aufgehoben und die Spieße freigegeben. Das Inverkehrbringen der 121 Dönerspieße aus dem Tiefkühlraum für den menschlichen Verzehr wurde der Antragstellerin indes untersagt und eine sonstige Verwertung unter schriftlichen Zustimmungsvorbehalt der Behörde gestellt. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Dagegen wendet sich die Antragstellerin in Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

 

Das Gericht hält den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz für unbegründet und die Untersagungsverfügung für offensichtlich rechtmäßig. Die Antragstellerin habe nicht substantiiert darlegen können, dass die Spieße allesamt am Hauptstandort produziert und dann lediglich zum Nebenstandort zur Lagerung transportiert wurden. Die Aussage, dass just am Tage der Kontrolle lediglich eine „Probeproduktion“ am Nebenstandort stattgefunden habe, deren Erzeugnisse nicht für den Verkauf bestimmt gewesen seien, hält das Gericht für unglaubwürdig. Es liege ein Verstoß gegen eine Vorschrift des Unionsrechts im Bereich "Lebensmittel und Lebensmittelsicherheit" im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Buchst. a) VO (EU) 2017/625 vor, genauer ein Verstoß gegen das Rückverfolgbarkeitserfordernis aus Art. 18 Abs. 1 der Verordnung (EG) 178/2002 (VO [EG] 178/2002). Danach sei die Rückverfolgbarkeit insbesondere von Lebensmitteln in allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen sicherzustellen. Gemäß Art. 3 Nr. 15 VO (EG) 178/2002 ist Rückverfolgbarkeit die Möglichkeit, insbesondere ein Lebensmittel durch alle Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen zu verfolgen. Diesen Anforderungen werden die streitgegenständlichen Lebensmittel nicht gerecht. Ihre Rückverfolgbarkeit ist nicht sichergestellt. Die Antragstellerin macht geltend, die Lebensmittel seien an ihrem Hauptstandort produziert und sodann zu ihrem Nebenstandort befördert und dort gelagert worden. Diese Angabe ist Ausgangspunkt für die Bewertung der Rückverfolgbarkeit. Die Lebensmittel müssen sich damit zum Hauptstandort zurückverfolgen lassen. Dies sei nicht der Fall. Die Lebensmittel dürfen somit nicht für den menschlichen Verzehr in den Verkehr gebracht werden.

 

Hinweis: An diesem Verfahren war der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) nicht beteiligt. Gerne informiert Sie der vzbv alle vier bis sechs Wochen mit einem kostenlosen Newsletter über neue Urteile zum Verbraucherrecht.

Datum der Urteilsverkündung: 19.05.2022
Aktenzeichen: 14 L 1112/22
Gericht: VG Berlin

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