Durch die folgenden Buttons können Sie direkt auf einen speziellen Bereich des Inhaltes springen

Zu diesem Thema oder Projekt arbeitet der vzbv nicht mehr.

Zu unseren aktuellen Themen
Keyvisual Europawahl 2019

Quelle: vzbv

Europawahl 2019

Europa kann mehr

Nationale Regelungen helfen in einem europäischen Binnenmarkt oft nicht weiter. Daher kann Europa mehr für Verbraucher:innen erreichen als die einzelnen Mitgliedstaaten allein. Nicht nur die EU-Institutionen, auch die Mitgliedstaaten sind gefordert, sich in der EU für eine Politik im Sinne der Bürger:innen einzusetzen.

Durch den Rat der europäischen Union kommt den einzelnen Mitgliedstaaten und den nationalen Regierungen eine große Verantwortung zu, Politik zu gestalten. Diesen Gestaltungsspielraum müssen sie nutzen. Sie dürfen die EU nicht für Versäumnisse in Haftung nehmen, für die sie selbst mitverantwortlich sind.

Im Vorfeld der Europawahl 2019 zeigte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) Lösungen für viele drängende Verbraucherprobleme auf, denen nur auf europäischer Ebene begegnet werden kann.

Im Folgenden finden Sie die Leitlinien und Kernforderungen des vzbv zur Europawahl 2019 (Stand: September 2018).

2018 vzbv europa kann mehr leitlinienbroschuere 32 seiten

Leitlinienbroschüre des vzbv zur Europawahl 2019

Europa kann Mehr! | September 2018

Ansehen
PDF | 1.08 MB

Kernforderungen des vzbv zur Europawahl 2019

Anwendungen auf Basis künstlicher Intelligenz (KI) sollen die Menschen unterstützen und hierbei die Freiheit und Autonomie der Menschen bewahren. Autonomes Fahren kann beispielsweise für Ver­braucher großes Potential haben. Wichtig ist da­bei, dass autonome Systeme die Menschen unter­stützen, aber auch weiterhin für sie kontrollierbar bleiben. Es muss diskutiert werden, was der Einsatz künstli­cher Intelligenz und algorithmenbasierter Entschei­dungsprozesse für den Einzelnen und die Gesell­schaft als Ganzes bedeuten. Ergebnis einer solchen Debatte sollten beispielsweise Prinzipien einer „Ethik-by-Design“ sein: Entwickler und Anwender sollten rechtliche und ethische Grundsätze schon bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz und algorithmenbasierten Entscheidungsprozessen be­rücksichtigen müssen

Prozesse, die durch Algorithmen gesteuert werden, müssen transparent und nachvollziehbar werden. Verbraucher müssen beispielsweise verstehen können, wie Ergebnisse von Bewertungs- oder Vergleichsportalen zustande kommen oder warum ihnen ein abweichender Preis für ein Produkt angeboten wird als anderen. Dafür muss die EU-Kommission rechtlich verbindliche Rahmenbedingungen schaffen, die über die Datenschutzgrundverordnung hinausgehen: Verbraucher müssen bei relevanten algorithmenbasierten Entscheidungsprozessen wissen, welche auch nicht personenbezogenen Daten einbezogen und wie sie gewichtet werden. Nur so können sich Verbraucher gegen Diskriminierung wehren. Um für mehr Transparenz und Sicherheit zu sorgen und Diskriminierung auszuschließen, muss es einem unabhängigen Kontrollsystem möglich sein, die verwendeten Algorithmen und die daraus resultierenden Ergebnisse und Entscheidungen überprüfen zu können. Die Überprüfung kann so gestaltet werden, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gewahrt bleiben. Eine zentrale Voraussetzung und wichtiger Baustein für eine KI-Strategie ist, dass die EU-Kommission technische Standards für die Gestaltung algorithmenbasierter Entscheidungsprozesse etabliert, um die Einhaltung und Überprüfbarkeit rechtlicher Vorgaben sicherzustellen („Accountability-by-Design“).

Unsichere Geräte bieten Einfallstore für Manipulationen von Hackern und die weitreichende Vernetzung kann zu Schadensereignissen von ungekannten Dimensionen führen. Wenn ein Smart-Home-System etwa unerwartet die Wohnungstür öffnet und dadurch ein Diebstahl ermöglicht wird, stellt sich die Frage, wer für Schäden haftet. Das geltende deutsche Produkthaftungsgesetz greift in diesen Fällen zu kurz. Es beruht auf einer dreißig reformieren. Jahre alten EU-Richtlinie und damit aus einer Zeit ohne Smartphones, automatisierte Autos oder sprachgesteuerte, internetbasierte persönliche Assistenten. Haftungsfragen des digitalen Zeitalters sind nicht adäquat geregelt. Der Schaden bleibt am Ende oft beim Verbraucher hängen, weil kein konkreter Schadensverursacher benannt werden kann. Das gilt insbesondere für vernetzte Geräte, wenn nicht eindeutig ein bestimmtes Gerät oder Hersteller für die Verursachung eines Schadens verantwortlich gemacht werden kann. Der vzbv spricht sich daher für eine grundlegende Reform des Produkthaftungsrechts unter Berücksichtigung dieser neuen Rahmenbedingungen aus. Besondere Beachtung muss dabei die Haftungsregelung für autonome und vernetzte Fahrzeuge finden. Der Hersteller ist verantwortlich für das einwandfreie Funktionieren automatisierter Assistenzsysteme, daher muss in erster Linie auch er für sein eigenes System einstehen. Die Gefährdungshaftung darf nicht erst beim Inverkehrbringen durch den Halter, sondern muss schon bei der Herstellung von automatisierten Autos gelten. Es muss sichergestellt sein, dass die Verbraucher die Risiken und Haftung einer jeden Automatisierungsstufe kennen.

Um das Recht auf Privatsphäre und Vertraulichkeit in der elektronischen Kommunikation sicherzustellen, hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine E-Privacy-Verordnung vorgelegt. Sie soll für diesen besonders sensiblen Bereich die Datenschutzgrundverordnung ergänzen, um dem ökonomischen, sozialen und politischen Bedeutungszuwachs der neuen Kommunikationsmittel Rechnung zu tragen. Das Recht auf Privatsphäre gilt nach dem Vorschlag der EU-Kommission künftig auch für Internettelefonie und Chats – so wie bisher bereits für herkömmliche Telefonate und Briefe: Verbraucher müssen grundsätzlich einwilligen, bevor ihre Daten verarbeitet werden. Der Vorschlag enthält außerdem wichtige Empfehlungen zu Tracking, datenschutzfreundlichen Browser-Voreinstellungen, Verschlüsselungspflichten und Klagemöglichkeiten bei Verstößen. Dieser Gesetzgebungsprozess berührt direkt die Grundrechte der europäischen Bürger und Verbraucher. Daher ist ein zügiger Abschluss des Gesetzgebungsprozesses dringend geboten, um die E-Privacy-Verordnung in Einklang mit den neuen Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung zu bringen, Regelungslücken zu schließen und Rechtsunsicherheit für Verbraucher und Unternehmen abzuwenden.

Die EU-Kommission hat am 11. April 2018 im Rahmen des „New Deal for Consumers“ einen Vorschlag für neue kollektive Rechtsschutzmaßnahmen bei Verbraucherschutzverstößen vorgelegt. Der Vorschlag sieht vor, dass qualifizierte Einrichtungen wie Verbraucherverbände bei Verstößen gegen verbraucherschützende Vorschriften auch Schadenersatz für die geschädigten Verbraucher erwirken können. Wenn klar ist wie hoch der Schaden im Einzelfall ist, könnte so eine direkte Entschädigung der betroffenen Verbraucher erreicht werden. Beispiele hierfür sind standardisierte Fluggastentschädigungen oder unrechtmäßige Bankgebühren, die zurückerstattet werden müssen. In komplexen Fällen unterschiedlich hoher Individualschäden bliebe es bei verbindlichen verbindlichen Musterurteilen, vergleichbar mit der in Deutschland eingeführten Musterfeststellungsklage. Diese Initiative ist ein wichtiger Schritt, damit das europäische Verbraucherrecht Verbrauchern auch unmittelbaren Nutzen bringt. Für den Fall, dass das entsprechende Gesetzgebungsverfahren nicht mehr in der laufenden Legislaturperiode abgeschlossen werden kann, fordert der vzbv eine prioritäre Beratung und Verabschiedung der Richtlinie in der Legislaturperiode 2019 bis 2024.

Wenn Vermittler von Versicherungen oder Anlageprodukten über Provisionen Geld verdienen, bekommen Verbraucher im schlimmsten Fall nicht das Produkt, das am besten zu ihnen passt, sondern das, mit dem der Vermittler am meisten verdient. Vertriebsprovisionen führen zu Interessenskonflikten und Fehlanreizen und so zu nachweislich schlech­ten Empfehlungen bei Finanzanlageprodukten. 2 Damit sind sie in keiner Weise mit dem Grundsatz vereinbar stets „im besten Kundeninteresse“ zu handeln, den die EU-Finanzmarktrichtlinie MiFID II mit Blick auf Anlageberatungen und andere Dienst­leistungen vorschreibt. Der europäische Gesetzgeber sollte daher ein umfas­sendes Verbot von Vertriebsprovisionen bei klassi­schen wie versicherungsförmigen Anlageprodukten, insbesondere aber auch bei Finanzvergleichsplatt­formen umsetzen. Ein europäisches Provisionsver­bot eröffnet gleichzeitig die Chance für mehr grenz­überschreitenden Wettbewerb bei Finanzanlagen zu sorgen. Im Rahmen provisionsbasierter Vertriebsmo­delle verkaufen nationaler Anbieter häufig hauseige­ne und damit nationale Produkte.

Verbraucherinteressen müssen in EU-Handelsab­kommen klar Berücksichtigung finden. Das betrifft beispielsweise Regeln zum grenzüberschreitenden Onlinehandel und die Frage, welche Rechte Ver­braucher haben, wenn sie ein beschädigtes Pro­dukt erhalten oder die Gewährleistung in Anspruch nehmen wollen. Auch die Kosten von Telekommuni­kation (Roaming) sollte in diesem Rahmen verhan­delt werden. Diese Schwerpunktsetzungen könnten etwa in einem eigenständigen horizontalen Kapitel „Handel und Verbraucherschutz“ festgehalten wer­den. Die Verbraucherschutzregeln müssen auch in den jeweiligen sektoralen Kapiteln entsprechend berücksichtig und ausgestaltet werden. Der Austritt des Vereinigten Königreichs (UK) aus der Europäischen Union (Brexit) wird auch Auswir­kungen auf deutsche Verbraucher haben. So haben etwa viele Verbraucher Finanzdienstleistungen im UK abgeschlossen. Die Verhandlungsführer in der Europäischen Kommission sowie das Europäische Parlament müssen sich für ein Handels- oder Asso­ziierungsabkommen mit dem Vereinigten Königreich einsetzen, das die Interessen von Verbrauchern in den Mittelpunkt stellt, ohne einem Aufweichen der vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes Vorschub zu leisten.

Der Fitness-Check-Bericht der EU-Kommission be­legt, dass das EU-Lebensmittelrecht in den Mit­gliedstaaten unterschiedlich interpretiert und nicht effizient und einheitlich umgesetzt wird. Risikokom­munikation und -management in Krisenfällen unter­scheiden sich stark innerhalb der einzelnen Länder, wie zuletzt im Fipronil-Fall im Sommer 2017. Auch die Durchführung von amtlichen Kontrollen und die Anwendung von Strafen werden unterschiedlich gehandhabt. Das verunsichert Verbraucher und be­deutet auch für Wirtschaftsakteure uneinheitliche Voraussetzungen innerhalb des Binnenmarktes. Die EU-Kommission muss die Mitgliedstaaten bei der Interpretation und Durchsetzung des Rechts unterstützen und auf die Bereitstellung ausreichen­der Ressourcen für amtliche Kontrollen drängen. Auch im wachsenden Online-Lebensmittelhandel sind stichhaltige Kontrollen dringend notwendig. Zudem ist ein einheitliches Vorgehen der Mitglied­staaten beim Krisenmanagement und bei Rückru­fen zu gewährleisten. Der im Rahmen der Novelle der Lebensmittel-Basis-Verordnung geplante „All­gemeine Plan für Risikokommunikation“ muss ent­sprechende, klare Vorgaben enthalten.

Verbraucher können sich beim Autokauf häufig nicht auf die Angaben der Hersteller verlassen. Das hat nicht nur der Dieselskandal gezeigt. Autobesit­zer müssen beim Tanken meist mehr bezahlen als erwartet, weil das neue Auto mehr Sprit verbraucht als offiziell angegeben. Die Angaben zu Kraftstoff­verbrauch und Schadstoffausstoß der Hersteller müssen realistischer und verlässlicher werden. Prüfprozedere für das Inverkehrbringen von Autos müssen so modernisiert werden, dass sie das rea­listische Nutzungsverhalten auf der Straße weitest­gehend widerspiegeln. Unrealistische Rollenprüf-standverfahren müssen abgelöst werden. Die Einführung des neuen Prüfzyklus WLTP ist zwar ein erster Schritt, da so länger mit höheren Ge­schwindigkeiten und unter Berücksichtigung von spezifischen Motor-Getriebe-Varianten und Sonder­ausstattungen getestet wird. Um den Kraftstoff­verbrauch jedoch realistisch angeben zu können, ist es zwingend notwendig, dass Autos auf der Straße getestet werden. Deshalb muss die neue EU-Kommission nach der Europawahl schnellst­möglich einen Vorschlag für die Novellierung der Verordnung (EU) 2017/1151 8 erarbeiten und ein Stra­ßenmessverfahren (Real Driving Emissions – RDE) einführen. Zusätzlich sind Vorgaben notwendig für die wirkungsvolle Begrenzung der Abweichung zwischen Prüfstand- und RDE-Werten („not to ex­ceed“-Limit). Der Vorschlag muss auch Vorgaben für eine konsequente Überwachung der Angaben zum Kraftstoffverbrauch während der Produktion und gegebenenfalls einer Sanktionierung bei Zu­widerhandlung beinhalten.

Für einige Produkte, die den Energieverbrauch maßgeblich beeinflussen, wie zum Beispiel Fens­ter und Autoreifen, wurden bereits Verordnungen im Rahmen des Ökodesigns erlassen. Damit sol­len durch ein verbessertes Produktdesign die Um­weltauswirkungen während der gesamten Produk­tions- und Lebensdauer reduziert werden. Unter der Prämisse des Ressourcenschutzes muss die EU-Kommission dringend prüfen, für welche weite­ren Produktkategorien Vorgaben eingeführt werden sollten. Aus Sicht des vzbv bieten sich hier insbe­sondere hochpreisige Produkte an, wie Möbel und andere Einrichtungsgestände. Auch die Nachhaltig­keit von Mobiltelefonen sollte dringend verbessert werden. Die ressourcenintensive Herstellung und die begrenzte Lebens- und Nutzungsdauer stehen bei Produkten im Bereich Informations- und Kom­munikationstechnologien in einem starken Missver­hältnis. Das schadet nicht nur der Umwelt, sondern auch dem Geldbeutel der Verbraucher. Der Arbeits­plan der EU-Kommission muss hinsichtlich der An­zahl der Produkte und der Umsetzungszeit ambitio­nierter werden. Bei der Überarbeitung von Ökodesign-Vorgaben müssen Anforderungen an Haltbarkeit, Reparier­barkeit, Aufrüstbarkeit und Recyclingfähigkeit sys­tematisch berücksichtigt werden. Der Aktionsplan der Kommission zur Kreislaufwirtschaft aus dem Jahr 2015 sieht vor, dass Produkte länger halten und reparierbar sein sollen. Trotzdem wurden in der Zwischenzeit kaum Fortschritte erzielt.

Alles zum Thema: Europawahl 2019

Artikel (7)
Dokumente (2)
Termine (4)