Im Frühwarnnetzwerk der Verbraucherzentralen gehen regelmäßig Beschwerden zum Widerruf bei Online-Anbietern ein. Dem Marktwächter Digitale Welt liegen Beschwerden betroffener Verbraucher aus sechs Bundesländern vor. Verbrauchern steht in bestimmten Fällen wie Fernabsatz oder Haustürgeschäften ein gesetzliches Widerrufsrecht zu, doch wie die Auswertung durch die Marktwächterexperten zeigt, haben Verbraucher immer wieder Probleme, dieses Recht im Internet durchzusetzen. Online-Anbieter verweigern den Widerruf beispielsweise unrechtmäßig oder informieren nicht hinreichend zu Ausschluss und Erlöschen ihres Widerrufsrechts.
Die Marktwächter-Teams der Verbraucherzentralen Bayern, Brandenburg und Rheinland-Pfalz haben die Verbraucherbeschwerden im Frühwarnnetzwerk zu Problemen mit dem Widerrufsrecht ausgewertet. Beim Online-Shopping, der Buchung von Dienstleistungen über das Internet sowie beim Kauf digitaler Inhalte wie etwa Software kommt es immer wieder zu Problemen mit dem Widerruf. Verbraucher haben im Internet grundsätzlich das Recht, den Kauf von Waren und Dienstleistungen innerhalb von 14 Tagen zu widerrufen. Falls der Widerruf in bestimmten Fällen gar nicht besteht oder das Widerrufsrecht vorzeitig erlischt, müssen Verbraucher auf das Erlöschen hingewiesen werden. Außerdem müssen sie der vorzeitigen Ausführung der Dienstleistung unter diesen Bedingungen zustimmen.
Einheitsware statt Maẞanfertigung
Das Marktwächter-Team der Verbraucherzentrale Brandenburg stellt immer wieder fest: Anbieter behaupten, gern bei der gelieferten Ware handele es sich um ein „maßgefertigtes“ Produkt, obwohl es sich um Einheitsware handelt. So berichtete eine Verbraucherin, sie habe ein Hochzeitskleid im Internet gekauft, bei dem man zwischen den Standardgrößen 36 bis 42 wählen konnte. Als schließlich ein Kleid in minderwertiger Qualität bei der Verbraucherin ankam, wollte sie den Kauf widerrufen. Doch der Händler weigerte sich.
„Es ist ärgerlich, wenn sich Online-Händler auf eine vermeintliche Maßanfertigung berufen, obwohl es sich eindeutig um Ware von der Stange handelt“, so Dr. Kirsti Dautzenberg, Teamleiterin Marktwächter Digitale Welt in der Verbraucherzentrale Brandenburg. „Dies erleben wir aber immer wieder, zum Beispiel bei Jalousien in Standardmaßen.“
Flirten ohne Widerruf?
Das Marktwächter-Team der Verbraucherzentrale Bayern erhält schon seit Jahren Beschwerden, die sich um hohe Wertersatzforderungen beim Widerruf drehen. Dies gilt insbesondere beim Widerruf bei Partnervermittlungsbörsen. Ein Beispiel: Eine Verbraucherin hatte einen Vertrag mit einer Online-Partnervermittlungsbörse abgeschlossen und nach zwei Tagen den Widerruf erklärt. Der Anbieter verlangte daraufhin einen Wertersatz von 312 Euro – und damit den Großteil der gesamten Kosten eines Jahresabos. Begründung: Vertraglich seien sieben „Kontakte“ pro Jahr gewährleistet und die Verbraucherin habe sechs davon bereits erhalten. Was der Anbieter mit „Kontakten“ meint, wurde auf der Webseite nicht verständlich erläutert.
„Die versprochenen ,Kontakte‘ können auch nur ein zugesendetes ,Smiley‘ eines Mitglieds, eine kurze Begrüßung und andere Formen der Kontaktaufnahme durch Mitglieder sein“, so Tatjana Halm, Teamleiterin Marktwächter Digitale Welt der Verbraucherzentrale Bayern. „Die extrem hohen Wertersatzforderungen innerhalb der Widerrufsfrist erscheinen hier schon zweifelhaft.“
Unzureichende Informationen bei Ausschluss des Widerrufsrechts
Bei digitalen Inhalten wie Software oder Filmen und Serien zum Streamen darf das Widerrufsrecht ausgeschlossen werden, sobald der Anbieter das Medium zum Abrufen anbietet. D.h. zum Beispiel den digitalen Inhalt zum Download bereitstellt. Dies gilt allerdings nur dann, wenn der Verbraucher vorher darauf hingewiesen wird und er ausdrücklich dem Ausschluss zustimmt.
„Verbraucher werden gerade bei digitalen Inhalten aber oft nicht ausreichend vorher aufgeklärt“, so Manfred Schwarzenberg, Teamleiter Marktwächter Digitale Welt der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. „Informationen zum Widerruf fehlen bei Shops, die beispielsweise Software oder digitale Gutscheine verkaufen, oft vollständig oder die Hinweise werden in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen versteckt.“ Ein Hinweis in den AGB reicht jedoch nicht aus.
Keine Schwächung des Rechts auf Widerruf
„Das Widerrufsrecht ist das zentrale Recht des Verbrauchers im Onlinehandel und darf nicht geschwächt werden. Die bestehenden Regelungen zur Wertersatzpflicht im Falle einer übermäßigen Nutzung des Widerrufs haben sich bewährt. Sie stellen einen fairen Kompromiss dar. Die EU-Kommission hat im Rahmen des ,New Deals for Consumers‘ vorgeschlagen, das Widerrufsrecht in diesen Fällen entfallen zu lassen. Das würde aber die Position der Verbraucher massiv verschlechtern, weil sie stets befürchten müssen, das Widerrufsrecht zu verlieren, wenn sie Produkte testen“, führt Otmar Lell, Leiter Team Recht und Handel beim Verbraucherzentrale Bundesverband, aus. „Auch die Regelungen zum Zeitpunkt der Rückzahlung des Kaufpreises dürfen sich nicht zum Nachteil der Verbraucher ändern.“ Die Untersuchung des Marktwächters Digitale Welt belegen, dass Unternehmen mit vielen Tricks versuchen, Verbraucher an der Nutzung des Widerrufsrechts zu hindern. „Mit Blick auf die vielen Umgehungstrategien warnen wir davor, das Recht auf Widerruf für Verbraucher von der Einschätzung der Unternehmen abhängig zu machen.“
Verbraucheraufruf zu Problemen mit dem Widerruf
Die Fälle im Frühwarnnetzwerk zeigen die Relevanz des Themas. Um ein genaueres Bild von Verbraucherproblemen rund um den Widerruf im Zusammenhang mit Einkäufen und Buchungen im Internet zu erhalten, bittet der Marktwächter Digitale Welt Verbraucher darum, Hinweise zum Thema im Beschwerdeformular zu melden. Betroffene Verbraucher können darüber dem Marktwächter ihre Probleme zum Widerruf mitteilen.
Verbraucher, die Hilfe in ihrem individuellen Fall benötigen, können sich in einer der rund 200 Beratungsstellen der Verbraucherzentralen beraten lassen.