Datum: 26.06.2023

„Verbraucherschutz ist wichtiger denn je."

Interview mit Ramona Pop, Vorständin des vzbv

Ramona Pop, Vorständin des vzbv

Quelle: dpa/picture-alliance/vzbv

Frau Pop, Ihr Start als vzbv-Vorständin am 4. Juli 2022 fiel mitten in die Energiekrise. Wie hat das Thema Ihre Arbeit im vergangenen Jahr geprägt?

2022 war für viele Verbraucher:innen kein einfaches Jahr. Mit der Energiepreiskrise erleben wir die größte Verbraucherkrise seit Jahrzehnten. Die Preiskrise trifft jeden und jede. In die Beratungsstellen kommen Menschen mit großen Sorgen und Verunsicherung. Um in dieser Krise zu helfen, haben wir unsere Arbeit im Verbraucherzentrale Bundesverband gemeinsam mit den Verbraucherzentralen ausgebaut und verstärkt. Die Krise wirkt sich ja auf viele Lebensbereiche aus, ich denke da etwa neben den exorbitant gestiegenen Energiepreisen an die gestiegenen Zusatzbeiträge bei den Krankenkassen oder die drastischen Preissteigerungen bei Lebensmitteln. In der Krise zeigt sich: Verbraucherschutz ist wichtiger denn je.

Wo waren die Sorgen der Menschen am größten?

Natürlich waren die steigenden Energiepreise für viele Menschen eine schwere Last. 2022 haben wir etwa gesehen, dass sich die Beschwerdezahlen zum Thema Strom im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt und beim Thema Gas sogar mehr als vervierfacht haben. Die Energiekrise hat die Menschen vor zahlreiche Probleme gestellt. Los ging es schon im Herbst 2021 mit dann bereits stark steigenden Preisen für Energie, und mit Kündigungen von Energieversorgern von heute auf morgen ging es leider weiter. Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine wurde plötzlich auch die Versorgungssicherheit ein Thema. Zudem wurden dann die allgemeinen Preissteigerungen für viele Menschen eine große Belastung. Die hohe Inflation ist für etwa ein Drittel der Menschen in Deutschland kaum zu stemmen.

Ramona Pop, Vorständin Verbraucherzentrale Bundesverband

Quelle: © Die Hoffotografen GmbH / Christine Blohmann / vzbv

Ramona Pop
Vorständin des vzbv

Wer sich in der Krise unrechtmäßig bereichert, muss nicht nur moralisch, sondern auch rechtlich die Konsequenzen zu spüren bekommen.

Hat die Bundesregierung die Menschen in der Krise gut unterstützt?

Die Ampel-Koalition hat viel Geld in die Hand genommen, um die Menschen in der Krise zu unterstützen. Darauf haben wir von Beginn der Krise an hingewirkt. Das ist gut und notwendig. Aber der Weg zu den Entlastungspaketen war lang und mit vielen Unsicherheiten verbunden. Erst wurde die sog. Gasumlage diskutiert, dann wieder fallengelassen – zu recht. Bis die Preisbremsen endlich beschlossen wurden, gingen weitere Monate ins Land. Das alles hat viele Verbraucher:innen verunsichert. Die Preisbremsen und Entlastungspakete sind ein gewaltiges Paket. Aber am Ende wurde hier eben mit der Gießkanne verteilt. Dabei wäre es dringend nötig, diejenigen zu unterstützen, die ein geringes Einkommen haben und für die jede Preissteigerung ein Loch in die ohnehin knappe Haushaltskasse reißt. Wir brauchen deshalb in Deutschland dringend einen direkten Auszahlungsweg für staatliche Hilfen. Ich erwarte hier im laufenden Jahr einen Vorschlag der Bundesregierung. Wir müssen doch aus dieser Krise lernen.

Was tut der vzbv in der Krise für die Verbraucher:innen?

Für uns als Verbraucherschützer:innen ist klar: Die Politik muss die Verbraucher:innen so lange unterstützen, wie die Krise dauert. Das gilt insbesondere für diejenigen, die ohnehin finanziell mit dem Rücken zur Wand stehen. Für eine gezielte Entlastung in der Krise haben wir uns stark gemacht und werden das weiter tun. Die Politik hat einiges davon aufgenommen und zum Beispiel einen Heizkostenzuschuss gewährt und diesen dann auch nochmal erhöht. Als Verbraucherschützer:innen haben wir auch sehr genau einen Markt beobachtet, der außer Rand und Band war. Wir sind gegen Wildwest-Methoden und Abzocke auf dem Energiemarkt auch rechtlich vorgegangen, denn nicht wenige Anbieter haben versucht, rechtswidrig Preiserhöhungen durchzusetzen. Bis Ende Januar 2023 haben wir 17 Klagen und drei Musterfeststellungsklagen im Energiesektor eingeleitet. Auch die Verbraucherzentralen mahnen ab und klagen. Wer sich in der Krise unrechtmäßig bereichert, muss nicht nur moralisch, sondern auch rechtlich die Konsequenzen zu spüren bekommen.

Was sollte mit Zufallsgewinnen geschehen, die Unternehmen in der Krise machen?

Es ist unhaltbar, dass Unternehmen in der Energiekrise Mehrgewinne als in normalen Zeiten machen, während viele Menschen in diesen Tagen jeden Cent dreimal umdrehen müssen. Die Politik muss Zufallsgewinne konsequent abschöpfen und an die Verbraucher:innen zurückerstatten. Die EU-Kommission hat hierfür eine Besteuerung von 33 Prozent vorgeschlagen. Da es sich um Zufallsgewinne handelt, ist aus unserer Sicht auch das doppelte, also 66 Prozent angemessen.

Welche Rolle hat das Thema Energiesparen in 2022 gespielt?

Energiesparen ist eine Frage der Solidarität und zwar für alle – für die Unternehmen, den öffentlichen Sektor und für die Verbraucher:innen. Aber natürlich ist es auch wichtig, um den eigenen Geldbeutel zu schonen. Die Verbraucherzentralen haben den Menschen mit Tipps und Informationen zur Seite gestanden und dafür auch neue, insbesondere digitale, Angebote geschaffen. Klar ist aber auch: Nicht alle Menschen können zusätzlich Energie sparen, denn viele haben schon vor der Krise nur das Nötigste verbraucht.

Wie geht es 2023 weiter? Was erwarten Sie von der Bundesregierung?

Wie lange die Krise dauert, kann niemand sicher sagen. Der nächste Winter kommt bestimmt. Deshalb muss die Bundesregierung nach Auslaufen der Preisbremsen weitere Entlastungen vorbereiten – gezielt für diejenigen, die Hilfe am dringendsten brauchen. Stichwort Direktzahlungen. Was wir 2022 gesehen haben, ist, dass andere Themenbereiche in den Hintergrund rücken, weil die Politik im Krisenmodus arbeitet. Dennoch dürfen andere Themen und Herausforderungen nicht von der politischen Agenda verschwinden. Wir erwarten, dass die Ampel-Koalition ihre zahlreichen verbraucherpolitischen Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einlöst. Dazu gehört zum Beispiel die verbraucherfreundliche Energiewende und die Verkehrswende, die ja eng miteinander verbunden sind. Der Dauerstreit um das 49-Euro-Ticket ist kein Ruhmesblatt. Wir brauchen auch schnelle Antworten bei der privaten Altersvorsorge und Regelungen für eine gesündere Ernährung. Alles Themen, wo wir keine Zeit verlieren sollten. Die Maßnahmen für einen besseren Verbraucherschutz müssen so ausgerichtet sein, dass sie den Verbraucheralltag besser und gerechter machen.

Das Interview wurde für den Jahresbericht 2022 des vzbv geführt.

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