Datum: 21.12.2021

Zur Zulässigkeit von Angaben im Zutatenverzeichnis veganer Lebensmittel

Urteil des LG München I vom 21.12.2021 (33 O 3572/21)

Die Verwendung von Begriffen, bei denen es sich weder um eine vorgeschriebene noch um eine übliche Verkehrsbezeichnung handelt (wie z.B. „Mandelerzeugnis“), ist im Zutatenverzeichnis von Lebensmitteln unzulässig.

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Quelle: Gina Sanders - Fotolia.com

Das LG München I hatte über den nachfolgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Die Klägerin ist ein eingetragener Verein zur Förderung gewerblicher Interessen, insbesondere zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs und macht gegen die Beklagte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche sowie einen Kostenerstattungsanspruch geltend. Die Beklagte stellt Lebensmittel her und vertreibt diese. Sie bietet unter anderem verschiedene vegane Lebensmittelprodukte an. Auf der Schauseite der Produkte finden sich Angaben wie „rein pflanzlich“, „mit Mandeln“ oder „reich an Mandelprotein“. Das Zutatenverzeichnis listet bei einem der Produkte an erster Stelle „52% Mandelerzeugnis (Trinkwasser, 2% Mandeln)“ auf. Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte täusche die Verbraucher:innen über die Zusammensetzung und die Gewichtung und Bedeutung der eingesetzten Zutaten von veganen Produkten. Das Zutatenverzeichnis eines verpackten Lebensmittels müsse gemäß Art. 18 Abs. 1 Satz 2 LMIV „aus einer Aufzählung sämtlicher Zutaten des Lebensmittels in absteigender Reihenfolge ihres Gewichtsanteils zum Zeitpunkt ihrer Verwendung bei der Herstellung des Lebensmittels“ bestehen. Die mengenmäßig relevantesten und größten Zutaten beispielsweise des Hamburger-Belags seien Wasser, Öl und Stärke. Die Beklagte deklariere indes in ihrem Zutatenverzeichnis statt richtigerweise „Wasser“ als erste Zutat den Kunstbegriff „Mandelerzeugnis“ und meine, sich insoweit auf den Anhang VII Teil E zu Art. 18 der LMIV berufen zu können. Eine zusammengesetzte Zutat im Sinne von Anhang VII Teil E könne unter ihrer Bezeichnung im Zutatenverzeichnis allerdings nur dann deklariert werden, wenn „sie in einer Rechtsvorschrift festgelegt oder üblich“ sei. Der Begriff „Mandelerzeugnis“ finde sich in keiner Rechtsvorschrift. Er sei auch keineswegs üblich, sondern ein nur von der Beklagten erfundener Phantasiebegriff. Die Beklagte weist dies zurück. Sie hält es für zulässig, zusammengesetzte Zutaten bei unmittelbarer Aufzählung ihrer einzelnen Zutaten im Verzeichnis zu listen. Zudem macht sie geltend, bei „Mandelerzeugnis“ handle es sich um eine verkehrsübliche Bezeichnung. Den Verbraucher:innen seien pflanzliche Alternativen zu Milch, sei es auf Soja-, Hafer- oder eben Mandelbasis zudem bekannt. Solche Produkte würden umgangssprachlich als „Pflanzen“-Milch (z.B. Mandelmilch) bezeichnet. Rein rechtlich scheide eine Bezeichnung als „Pflanzen“-Milch allerdings aus. Die alternativ verwendeten Begriffe wie „Drink“, „Zubereitung“ oder „Erzeugnis“ dienten als Synonyme und ließen die Verbraucher:innen ohne weiteres die Art des Produktes erkennen. Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage.

Das Gericht folgt der Ansicht der Klägerin und gibt der Klage statt. Durch die Verwendung des Begriffs „Mandelerzeugnis“ im Zutatenverzeichnis verstoße die Beklagte gegen Art. 18 Abs. 2 LMIV. Grundsätzlich müssten nach Art. 18 Abs. 1 LMIV danach alle Zutaten unabhängig davon angegeben werden, wann sie im Rahmen des Herstellungsprozesses verwendet würden. Das bedeute zugleich, dass Vormischungen und Zwischenerzeugnisse bei der Angabe der Zutaten grundsätzlich unberücksichtigt blieben. Von diesem Grundsatz lasse Art. 18 Abs. 4 LMIV i.V.m. Anhang VII Teil E Nr. 1 insoweit eine Ausnahme zu, als im Zutatenverzeichnis im Einzelfall auch eine zusammengesetzte Zutat erscheinen dürfe. Dies setze allerdings voraus, dass für die zusammengesetzte Zutat eine vorgeschriebene oder übliche Verkehrsbezeichnung bestünde und unmittelbar danach eine Aufzählung ihrer Zutaten folge. Als „verkehrsübliche Bezeichnung“ definiere Art. 2 Abs. 2 lit. o) LMIV eine Bezeichnung, „die von den Verbrauchern in dem Mitgliedstaat, in dem das Lebensmittel verkauft wird, als Bezeichnung dieses Lebensmittels akzeptiert wird, ohne dass eine weitere Erläuterung notwendig wäre“. Es gelte ein strenger Maßstab, andernfalls würde der Hersteller es in der Hand haben, durch die „Verklammerung“ von Zutaten zusammengesetzte Zutaten zu schaffen, die das Verzeichnis anführen, obwohl den Einzelzutaten lediglich ein untergeordneter Anteil am Gesamtgewicht zukomme. Die Informationen, welche den Verbraucher:innen erteilt werden, sollen so klar und transparent wie möglich sein. Es entspreche nicht dem Informationsbedürfnis der Verbraucher:innen die Menge der hervorgehobenen Zutat „Mandeln“ lediglich im Verhältnis zur (selbst gewählten) Bezugsgröße „Mandelerzeugnis“ zu erfahren, sondern vielmehr, die Mengenangabe im Verhältnis zum Gesamtprodukt zu erfahren. Die Verwendung der Bezeichnung „Mandelerzeugnis“ sei im Zutatenverzeichnis somit unzulässig.

Hinweis: An diesem Verfahren war der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) nicht beteiligt. Gerne informiert Sie der vzbv alle vier bis sechs Wochen mit einem kostenlosen Newsletter über neue Urteile zum Verbraucherrecht.

Datum der Urteilsverkündung: 21.12.2021
Aktenzeichen: 33 O 3572/21
Gericht: LG München I

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