Eine Beitragserhöhung ist nur dann zulässig, wenn sich Grundlagen für die Prämienkalkulation nicht nur vorübergehend geändert haben. Gleichwohl bleibt eine Prämienerhöhung bei dauerhaften Änderungen möglich.
Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger ist bei der Beklagten privat krankenversichert. Die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen umfassen unter anderem die „Musterbedingungen 2009 - MB/KK 2009 - des Verbandes der privaten Krankenversicherung" sowie die „Tarifbedingungen" der Beklagten. In § 8b MB/KK 2009 heißt es in Absatz 1: „Im Rahmen der vertraglichen Leistungszusage können sich die Leistungen des Versicherers z.B. wegen steigender Heilbehandlungskosten, einer häufigeren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder aufgrund steigender Lebenserwartung ändern. […] Alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit [werden] vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst.“ Weiter heißt es in Absatz 2: „Von einer Beitragsanpassung kann abgesehen werden, wenn nach übereinstimmender Beurteilung durch den Versicherer und den Treuhänder die Veränderung der Versicherungsleistungen als vorübergehend anzusehen ist.“ Die Beklagte erklärt in den Jahren 2010, 2011, 2013, 2014 und 2017 Beitragserhöhungen in verschiedener Höhe. Die Erhöhungen wurden 2010, 2011, 2013 und 2017 jeweils mit „gestiegener Nutzung durch die Versicherten“, „Ergebnis der jährlichen Prüfung“, „Unvermeidlichkeit“ oder „gestiegenen Gesundheitskosten“ begründet. Der Kläger hält die Beitragserhöhungen für unrechtmäßig. Am 2. November 2011 fordert er die Beklagte zur Rückzahlung der seiner Ansicht nach zu viel gezahlten Prämien in Höhe von 16.388,72 Euro auf. Das Landgericht weist die Klage in erster Instanz ab. Das Oberlandesgericht verurteilt die Beklagte zur Zahlung von 9.546,09 Euro. Mit der Revision begehrt die Beklagte die vollständige Klageabweisung.
Die Revision hat weitestgehend keinen Erfolg. Das Berufungsgericht sei zurecht davon ausgegangen, dass die Neufestsetzung der Prämie die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung veranlasst hat, zu enthalten habe. Die mitgeteilten Gründe für die Prämienerhöhungen 2010, 2011, 2013 und 2017 erfüllten diese Voraussetzungen nicht. Aus der bloßen Erwähnung gestiegener Gesundheitskosten oder anderer Gründe, ergebe sich nicht, dass es einen vorab festgelegten Schwellenwert für eine Veränderung der Leistungsausgaben gibt, dessen Überschreitung die Prämienerhöhung ausgelöst habe. Die nach Klageerhebung nachgeholten Angaben zu den Gründen der Prämienanpassungen, heilten diesen Fehler erst ab dem Zeitpunkt des Zugangs, nicht von Anfang an. Das Berufungsgericht sei weiter zwar zurecht davon ausgegangen, dass § 8b Abs. 2 MB/KK aufgrund der Umgehung zwingender gesetzlicher Regelungen zum Nachteil des Versicherungsnehmers unwirksam sei, es habe aber zu Unrecht daraus gefolgert, dass § 8b Abs. 1 MB/KK ebenfalls unwirksam sei. Dieser weiche nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den gesetzlichen Vorschriften über die Prämienanpassung ab. Das hat zwar zur Folge, dass bei vorübergehenden Änderungen der Berechnungsgrundlage die Prämien nicht nach § 8b Abs. 2 MB/KK erhöht werden dürften, gleichwohl bliebe eine Prämienerhöhung bei dauerhaften Änderungen der Berechnungsgrundlage gemäß § 8b Abs. 1 MB/KK möglich. Es ergebe sich letztendlich ein Zahlungsanspruch in Höhe von 8.779,05 Euro für den Kläger.
Hinweis: An diesem Verfahren war der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) nicht beteiligt. Gerne informiert Sie der vzbv alle vier bis sechs Wochen mit einem kostenlosen Newsletter über neue Urteile zum Verbraucherrecht.
Datum der Urteilsverkündung: 22.06.2022
Aktenzeichen: IV ZR 253/20
Gericht: BGH