Datum: 10.01.2024

Zur Haftung der BaFin im Wirecard-Skandal

Beschluss des BGH vom 10.01.2024 (III ZR 57/23)

Es besteht keine Haftung der BaFin gegenüber Anlegern im Zusammenhang mit dem Wirecard-Bilanzskandal.

urteile-vzbv-fotolia_45599622.jpg

Quelle: Gina Sanders - Fotolia.com

Der Entscheidung des BGH liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger nimmt die beklagte Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Zusammenhang mit dem Erwerb von Aktien der inzwischen insolventen Wirecard AG unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung und der unionsrechtlichen Staatshaftung auf Schadensersatz in Anspruch. Der BaFin obliegt unter anderem die Aufsicht über die Einhaltung der Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes, insbesondere betreffend die Bilanzkontrolle und die Marktmissbrauchsüberwachung. Der Kläger erwirbt am 27. Januar 2020 insgesamt 500 Inhaberaktien der Wirecard AG zu einem Kurs von 132,97 Euro für insgesamt 66.475 Euro. Nachdem die Veröffentlichung des Jahres- und Konzernabschlusses 2019 mehrfach verschoben wird, veröffentlicht die Wirecard AG am 18. Juni 2020 eine Ad-hoc-Mitteilung, wonach der Abschlussprüfer mitgeteilt habe, dass über die Existenz von im Konzernabschluss zu konsolidierenden Bankguthaben auf Treuhandkonten in Höhe von insgesamt 1,9 Mrd. Euro – etwa ein Viertel der Konzernbilanzsumme – noch keine ausreichenden Prüfungsnachweise vorlägen und Hinweise bestünden, dass unrichtige Saldenbestätigungen zu Täuschungszwecken vorgelegt worden seien. Am 22. Juni gibt die Wirecard AG bekannt, dass vermeintliches Vermögen in Höhe von 1,9 Mrd. Euro bei zwei Banken auf den Philippinen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht bestehe. Drei Tage darauf beantragt die Wirecard AG die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Am selben Tag veräußert der Kläger seine Aktien zu einem Kurs von 3,31 Euro für insgesamt 1.648,25 Euro. Der Kläger macht geltend, die BaFin habe über Jahre ihre gesetzlichen Pflichten zur Aufklärung und Verhinderung von Marktmanipulationen der Wirecard AG verletzt. Die Beklagte habe die Bilanzkontrolle bei der Wirecard AG an sich ziehen müssen. Der Kläger begehrt die Zahlung von 64.833,75 Euro. Das Landgericht weist die Klage in erster Instanz ab. Das Oberlandesgericht weist die Berufung des Klägers zurück und lässt die Revision nicht zu. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt erfolglos. Das Berufungsgericht habe einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus Amtshaftung beziehungsweise unter dem Gesichtspunkt des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs zu Recht verneint. Die Maßnahmen der BaFin im Rahmen der Marktmissbrauchsüberwachung und der Bilanzkontrolle bezüglich der Wirecard AG seien jedenfalls vertretbar gewesen. Die Voraussetzungen für eine Bilanzprüfung durch die BaFin in eigener Zuständigkeit hätten zu Beginn des Jahres 2019 nicht vorgelegen, da weder erhebliche noch einfache Zweifel an den Bilanzen der Wirecard AG und deren Prüfung zu dem Zeitpunkt vorgelegen hätten. Staatsanwaltliche Handlungen, bei denen ein Beurteilungsspielraum des Entscheidungsträgers besteht, seien im Amtshaftungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern lediglich auf ihre Vertretbarkeit zum Zeitpunkt der Entscheidung gerichtlich zu überprüfen. Nach diesen Maßstäben haben die Voraussetzungen für eine Bilanzprüfung durch die BaFin in eigener Zuständigkeit zu Beginn des Jahres 2019 nicht vorgelegen.

 

Hinweis: An diesem Verfahren war der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) nicht beteiligt. Gerne informiert Sie der vzbv alle vier bis sechs Wochen mit einem kostenlosen Newsletter über neue Urteile zum Verbraucherrecht.

Datum der Urteilsverkündung: 10.01.2024
Aktenzeichen: III ZR 57/23
Gericht: BGH

Kontakt

Kontakt

Icon für Kontakt für Verbraucher

Service für Verbraucher:innen

Was suchen Sie? Wählen Sie eine passende Option:

Kontakt

Telefon-Icon

Pressestelle

Service für Journalist:innen

presse@vzbv.de +49 30 25800-525