Datum: 08.06.2023

Zur „Gutschein-Lösung“ beim COVID-bedingten Rücktritt von Pauschalreise

Urteil des EuGH vom 08.06.2023 (C-407/21)

Die Erstattung für COVID-bedingt abgesagte Pauschalreisen hat grundsätzlich in Geld zu erfolgen. Reisende können anstelle einer Erstattung in Geld einen Gutschein akzeptieren, müssen dies jedoch nicht.

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Quelle: Gina Sanders - Fotolia.com

Der Entscheidung des EuGH liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens, zwei Verbraucherschutzvereine, erheben beim vorlegenden Gericht Klage auf Nichtigerklärung der französischen Rechtsverordnung Nr. 2020‑315. Sie machen geltend, dass die Vorschriften dieser Rechtsverordnung gegen Art. 12 der Richtlinie 2015/2302 verstießen, der für den Reisenden im Fall des Rücktritts vom Pauschalreisevertrag wegen des Auftretens „unvermeidbare[r,] außergewöhnliche[r] Umstände“ einen Anspruch auf volle Erstattung aller für die Pauschalreise getätigten Zahlungen innerhalb von spätestens 14 Tagen nach dem Rücktritt vom Pauschalreisevertrag vorsieht. Außerdem beeinträchtigten sie den freien Wettbewerb im Binnenmarkt und liefen dem mit der Richtlinie verfolgten Ziel der Harmonisierung zuwider. Das vorlegende Gericht führt aus, dass die Rechtsverordnung Nr. 2020-315 erlassen worden sei, um das Überleben der Reiseanbieter zu sichern, die aufgrund der COVID-19-Pandemie mit einem nie erreichten Volumen an Stornierungen konfrontiert gewesen seien. Bis zum Ende der Anwendung der Rechtsverordnung im September 2020 beliefe sich der Gesamtbetrag der Gutscheine, die von französischen Unternehmen ausgestellt worden seien, auf etwa 990 Millionen Euro. Dies entspreche 10% des Umsatzes, den die Branche in einem normalen Jahr erziele. Es wird daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH einige Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. Das Gericht fragt im Wesentlichen, ob Art. 12 der Richtlinie 2015/2302 dahin auszulegen sei, dass die Zahlungen für die nicht durchführbare Pauschalreise in Geld zu erstatten sei oder ob eine Erstattung in Form von Gutscheinen zulässig sei.

Der Europäische Gerichtshof stellt zunächst fest, dass die Richtlinie 2015/2302 dahin auszulegen sei, dass der/dem Reisenden im Falle eines bestehenden Rücktrittsrechts aufgrund außergewöhnlicher Umstände am Bestimmungsort oder im Falle einer Beendigung des Vertrages durch den Reiseveranstalter vor Beginn der Reise ein Anspruch auf volle Erstattung aller für die Reise getätigten Zahlungen zusteht. Der Begriff der Erstattung selbst werde in der Richtlinie jedoch nicht definiert. Daher sei auf den gewöhnlichen Sprachgebrauch unter Berücksichtigung des vorliegenden Zusammenhangs abzustellen. Danach sei mit „erstatten“ gemeint, dass einer Person Geld zurückgegeben werde, dass sie gezahlt habe. In den Bestimmungen sei davon die Rede, dass die für die Pauschalreise „getätigten Zahlungen“ voll zu erstatten seien, sodass kein Zweifel daran bestehen könne, was zu erstatten sei, nämlich Geld. Es stehe der/dem Reisenden jedoch frei, sich freiwillig damit einverstanden zu erklären, anstatt einer Erstattung in Geld einen Gutschein zu akzeptieren.

Hinweis: An diesem Verfahren war der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) nicht beteiligt. Gerne informiert Sie der vzbv alle vier bis sechs Wochen mit einem kostenlosen Newsletter über neue Urteile zum Verbraucherrecht.

Datum der Urteilsverkündung: 08.06.2023
Aktenzeichen: C-407/21
Gericht: EuGH

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