Zum Anspruch des Käufers gegen eine Vorverkaufsstelle auf Rückerstattung des Ticketpreises bei Absage der Veranstaltung wegen eines auf Grund der Covid-19-Pandemie erlassenen Veranstaltungsverbots
Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Parteien streiten um die Rückerstattung des Entgelts für Eintrittskarten zu einer Veranstaltung, die aufgrund der Covid-19 Pandemie abgesagt wurde. Die Beklagte, eine Ticketsystemdienstleisterin (im Folgenden auch: Vorverkaufsstelle) betreibt ein Internetportal, über das Eintrittskarten für eine Vielzahl von Veranstaltungen erhältlich sind. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Portals heißt es:
„"Die C. AG & Co. KGaA (nachfolgend C. genannt) ist nicht selbst Veranstalter der angebotenen Veranstaltungen. Diese werden durch den jeweiligen Veranstalter durchgeführt, der auch Aussteller des Tickets ist. Durch den Erwerb der Eintrittskarte kommen vertragliche Beziehungen im Hinblick auf den Veranstaltungsbesuch ausschließlich zwischen dem Karteninhaber (Kunden) und dem jeweiligen Veranstalter zustande. Möglicherweise gelten für diese rechtlichen Beziehungen eigene Allgemeine Geschäftsbedingungen des Veranstalters. Die C. vertreibt die Tickets im Auftrag des jeweiligen Veranstalters als Vermittlerin oder als Kommissionärin, es sei denn, sie ist im Einzelfall ausdrücklich selbst als Veranstalter ausgewiesen. (…)"
Am 27. Dezember 2019 erwirbt die Klägerin über die Internetseite der Beklagten fünf Eintrittskarten zum Preis von insgesamt 304,40 Euro für eine Konzertveranstaltung, die am 21. März 2020 in Berlin stattfinden soll. Deren Veranstalterin ist die B. GmbH. Die gebuchte Veranstaltung wird aufgrund der Covid-19-Pandemie abgesagt. Die Klägerin begehrt deshalb von der Beklagten mit Schreiben vom 21. März 2020 die Erstattung des Ticketpreises, was diese ablehnt. Die Veranstalterin bietet stattdessen Wertgutscheine an, was die Klägerin wiederum ablehnt. Die auf Rückzahlung des Kartenpreises in Höhe von 304,40 Euro gerichtete Klage hat in erster Instanz Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage in zweiter Instanz abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht habe fehlerfrei entschieden, dass der Klägerin gegen die Beklagte der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung des Ticketpreises in Höhe von 304,40 Euro nicht zustehe. Zutreffend sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass sich ein solcher Anspruch weder aufgrund eines Rücktritts von dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags über den Kauf von Rechten nach den §§ 453 Abs. 1 aF, 437 Nr. 2 Alt. 1, 323 Abs. 1, 346 Abs. 1 BGB noch aufgrund eines Widerrufs nach den §§ 312g Abs. 1, 355 Abs. 1, 3 Satz 1, 357 Abs. 1 BGB ergebe. Zu Recht habe das Berufungsgericht auch einen Anspruch der Klägerin aufgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1, 3 BGB verneint. Die Beklagte sei ausweislich ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen erkennbar nicht der Veranstalter der Veranstaltung. Der Wirksamkeit dieser Klausel stünden keinerlei Bedenken gegenüber. Die Durchführung der Veranstaltung sei daher nicht ihre vertragliche Pflicht. Die Beklagte sei lediglich verpflichtet gewesen, der Klägerin das Recht auf Teilnahme an der von der Veranstalterin durchzuführenden Veranstaltung zu verschaffen. Zum Zeitpunkt der Übertragung des Rechts sei die Durchführung der Veranstaltung vorgesehen gewesen. Ein Mangel des übertragenen Rechts habe zu diesem Zeitpunkt nicht bestanden und die Beklagte habe den Vertrag zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig erfüllt, da sie nicht für den Fortbestand des Rechts hafte. Von diesem Zeitpunkt an sei die Veranstalterin als Ausstellerin der Karten verpflichtet, die von der Klägerin gebuchte Veranstaltung durchzuführen und ihr die Teilnahme zu gewähren. Ein Anspruch auf Anpassung des Vertrages stünde der Klägerin gegen die Beklagte nur in dem Falle zu, dass ein Festhalten am unveränderten Vertrag ihr unzumutbar wäre. Dies sei aber schon deshalb nicht der Fall, weil die Veranstalterin als Ausstellerin der Eintrittskarten bereit gewesen sei, für die Absage der Veranstaltung einzustehen und ihr als Ersatz Wertgutscheine auszustellen. Deren Annahme wäre der Klägerin zumutbar gewesen. Da bereits die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung nicht vorlägen, scheide auch ein Rücktrittsrecht aus. Ein Widerrufsrecht bestehe ebenfalls nicht, da § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB dies für Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen ausschließe. Aus der mangelhaften Belehrung hinsichtlich des Nichtbestehens eines Widerrufsrechts könne die Klägerin ebenfalls kein Widerrufsrecht ableiten, da eine fehlerhafte Belehrung lediglich zum Fortbestehen eines Widerrufsrechts, nicht jedoch zu dessen Entstehung führen könne. Ihr stehe somit kein Zahlungsanspruch gegen die Verkaufsstelle zu.
Hinweis: An diesem Verfahren war der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) nicht beteiligt. Gerne informiert Sie der vzbv alle vier bis sechs Wochen mit einem kostenlosen Newsletter über neue Urteile zum Verbraucherrecht.
Datum der Urteilsverkündung: 13.07.2022
Aktenzeichen: VIII ZR 329/21
Gericht: BGH