Datum: 08.02.2023

Zum Erstattungsanspruch gegen die Bank bei Abbuchungen nach Kartendiebstahl

Urteil des OLG Stuttgart vom 08.02.2023 (9 U 200/22)

Nicht-autorisierte betrügerische Abbuchungen durch Kriminelle unter Verwendung der originalen EC- oder Kreditkarte und der richtigen Geheimzahl genügen für sich noch nicht als Beweis dafür, dass die Pflichten zur Geheimhaltung der Geheimzahl gröblich verletzt wurden.

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Quelle: Gina Sanders - Fotolia.com

Der Entscheidung des OLG Stuttgart liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten, ihrer Bank, die Erstattung des im Zeitraum vom 11. Dezember 2020 bis 14. Dezember 2020 von ihrem Girokonto abgebuchten Beträge in Höhe von insgesamt 18.545,74 Euro. Den Buchungen liegen verschiedene Verfügungen zugrunde, die eine unbekannte Person mit der EC- und Kreditkarte unter Verwendung der für beide Karten identischen, korrekten Geheimzahl vornimmt. Die Klägerin autorisiert diese Verfügungen nicht. Sie nutzt die EC-Karte zuletzt am 11. Dezember 2020 zum Bezahlen eines Einkaufs. Am 15. Dezember erstattet sie, nachdem sie von der Bank auf die Verfügungen aufmerksam gemacht wird, Strafanzeige und lässt die Karten sperren. Das Landgericht weist die Klage in erster Instanz ab mit der Begründung, es spreche der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Klägerin grob fahrlässig die Pflicht zur Geheimhaltung der PIN verletzt habe, indem sie diese auf den Karten oder zusammen mit ihnen verwahrt habe. Diese Annahme stützt es darauf, dass bei den Abbuchungen die Originalkarten mit der richtigen PIN eingesetzt wurden. Zu erschüttern habe die Klägerin den Anscheinsbeweis nicht vermocht. Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die Berufung der Klägerin.

Die Berufung hat Erfolg. Es sei nicht festzustellen, dass die Klägerin ihre PIN auf zumindest einer der Karten notiert oder einen Zettel, auf dem die PIN vermerkt war, im Geldbeutel neben den Karten verwahrt habe. Das Landgericht habe darüber hinaus verkannt, dass der Anscheinsbeweis nur bei typischen Geschehensverläufen anwendbar sei, wenn ein bestimmter Sachverhalt feststünde, der nach allgemeiner Lebenserfahrung auf einen bestimmten Ablauf hindeute. Das sei nicht immer schon dann der Fall, wenn ein Unberechtigter die Originalkarte und die richtige Geheimzahl verwende. Vielmehr sei auch denkbar, dass der Dieb die Daten zuvor bei einer Eingabe der Klägerin ausgespäht habe. So liege der Fall hier, da die Klägerin nicht nur ein Ausspähen der PIN als theoretische Möglichkeit in den Raum gestellt habe, was für die Bejahung eines anderweitigen typischen Geschehensablaufs nicht genügen würde. Sie hat unbestritten dargelegt, dass sie lediglich rund zehn Minuten vor der ersten nicht autorisierten Verfügung (einer Abhebung an einem nur rund einen Kilometer entfernten Automaten) am Kartenterminal im Lebensmittelmarkt ihre Einkäufe bezahlte. Es erscheine möglich, dass ihr PIN dort bei der Eingabe ausgespäht worden sei. Es sei somit nicht zwingend davon auszugehen, dass die Klägerin grob fahrlässig gehandelt habe. Das hat zur Folge, dass die Bank der Klägerin den unautorisiert abgebuchten Betrag zu erstatten hat.

Hinweis: An diesem Verfahren war der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) nicht beteiligt. Gerne informiert Sie der vzbv alle vier bis sechs Wochen mit einem kostenlosen Newsletter über neue Urteile zum Verbraucherrecht.

Datum der Urteilsverkündung: 08.02.2023
Aktenzeichen: 9 U 200/22
Gericht: OLG Stuttgart

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