Datum: 23.11.2022

Zum Anspruch gegen die Teilkaskoversicherung bei Schäden aufgrund verhinderter Wildunfälle

Urteil des OLG Saarbrücken vom 23.11.2022 (5 U 120/21)

Hat ein Motorradfahrer beim Einfahren in eine Rechtskurve aus geringer Entfernung Rehe wahrgenommen, die sich in unmittelbarer Nähe des rechten Straßenrandes hinter einem Busch befinden, und gerät er beim anschließenden Versuch, nach links auszuweichen, von der Straße ab, kann eine objektiv gebotene Rettungshandlung vorliegen und der Teilkaskoversicherer gehalten sein, dadurch entstandene Schäden am Fahrzeug und an der Kleidung des Fahrers als Aufwendungen zur Abwendung eines unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfalles zu ersetzen.

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Quelle: Gina Sanders - Fotolia.com

Der Entscheidung des saarländischen OLG liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger, ein Motorradfahrer, begehrt von der Beklagten, seinem Fahrzeugversicherer, Ersatz für Schäden anlässlich eines angeblichen Wildunfalles. Er unterhält dort eine Teilkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 150 Euro. Am 7. September 2020 ist der Kläger mit seinem Sohn auf dem versicherten Motorrad in Frankreich unterwegs, wobei es zu einem Unfall kommt. Die Reparaturkosten für das Motorrad und die Kosten für die zerstörte Kleidung und Helme belaufen sich auf 6.004,81 Euro. Der Kläger behauptet, in Höhe einer Kurve, die er mit geschätzt 70 km/h habe befahren wollen, hätten sich hinter einem Busch mehrere Rehe aufgehalten, die die Straße in diesem Moment hätten überqueren wollen; er habe versucht den Rehen auszuweichen, sei dabei auf den Grünstreifen gekommen und gestürzt, durch den Sturz seien seine Motorradkleidung und sein Helm sowie die Motorradkleidung und der Helm seines Sohnes total beschädigt worden. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat die Darstellung des Unfallgeschehens durch den Kläger, die derjenigen seines Sohnes widerspreche, in Abrede gestellt. Sie sei auch nicht plausibel, weil der Kläger, wenn sich die Rehe tatsächlich auf der Straße befunden hätten oder im Begriff gewesen wären, auf die Straße zu laufen, unter Berücksichtigung der Zeit- und Wegeverhältnisse sowie seiner Geschwindigkeit keine Ausweichmöglichkeit mehr gehabt hätte und mit den Rehen kollidiert wäre; auch ohne eine Reflexreaktion des Klägers wäre es nicht zu einer Kollision mit den Rehen gekommen. Das Landgericht verurteilt die Beklagte zur Zahlung von 4.295,84 Euro an den Kläger. Mit der Berufung begehrt die Beklagte die vollständige Klageabweisung.

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Es sei richtig, dass dem Kläger mangels Abschlusses einer Vollkaskoversicherung keine vertraglichen Leistungsansprüche wegen der von ihm anlässlich des Unfallereignisses erlittenen Schäden zustünden. Denn die Beklagte leiste im Rahmen der hier vereinbarten Teilkaskoversicherung Ersatz nur für die bedingungsgemäß als Versicherungsfall vereinbarten Ereignisse. Nach der insoweit allein in Betracht kommenden Klausel der Versicherungsbedingungen sei „der Zusammenstoß des in Fahrt befindlichen Fahrzeugs mit Tieren“ versichert. Ein Anspruch des Klägers auf teilweise Erstattung unfallbedingt entstandener Schäden im vom Landgericht zugesprochenen Umfange besteht allerdings unter dem Aspekt des Rettungskostenersatzes. Demnach hat der Versicherer Aufwendungen des Versicherungsnehmers, die dieser zur Schadensabwendung oder -minderung tätigt, auch wenn sie erfolglos geblieben sind, insoweit zu erstatten, als der Versicherungsnehmer sie den Umständen nach für geboten halten durfte. Das Landgericht sei der Sache und Höhe nach zutreffend davon ausgegangen, dass ein solcher Anspruch hier bestehe.

 

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Datum der Urteilsverkündung: 23.11.2022
Aktenzeichen: 5 U 120/21
Gericht: OLG Saarbrücken

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