Datum: 29.10.2020

Mogelpackung für Bahnreisende in der Europäischen Union

Statement von Klaus Müller, Vorstand des vzbv, zur Einigung über die Fahrgastrechteverordnung

Pressefoto 4 Klaus Müller | Vorstand Verbraucherzentrale Bundesverband | Credit: vzbv - Gert Baumbach

Quelle: Gert Baumbach - vzbv

Heute hat der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments die Neufassung der Verordnung über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr gebilligt. Europäische Kommission, Rat und Europäisches Parlament versprechen eine Verbesserung für Fahrgäste und auch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) begrüßt die Einigung. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ist jedoch der Meinung, dass es zu einer Verschlechterung kommen wird. Klaus Müller, Vorstand des vzbv, kritisiert den Vorschlag:

„Die Einigung über die Fahrgastrechteverordnung verdient keinen Lobgesang. Hier verkaufen Europäische Kommission, Rat und Parlament ihre Einigung als Geschenk an Fahrgäste in der EU. Doch es handelt sich um nicht mehr als eine Mogelpackung.

Die Einführung der Höheren-Gewalt-Klausel dürfte letztlich von Verkehrsunternehmen als Schlupfloch genutzt werden, um sich vor Entschädigungszahlungen zu schützen. Bei der Bahn bedeutet das, dass jede Blockade der Schienen beispielsweise durch ein Wildschwein künftig als höhere Gewalt gewertet werden könnte. Fahrgastrechte bleiben dann auf der Strecke. Die Regelung bringt einen massiven Nachteil für Verbraucher.

Das vielgepriesene Weiterbeförderungsrecht nach 100 Minuten werden nur diejenigen Fahrgäste in Anspruch nehmen können, die eine Durchgangsfahrkarte erwerben konnten. Dabei werden Eisenbahnverkehrsunternehmen nur verpflichtet, Durchgangsfahrkarten auf von ihnen oder von 100%-igen Tochterunternehmen betriebenen Strecken anzubieten. Keine Durchgangsfahrkarte, kein Recht auf Weiterbeförderung. In Deutschland haben wir bereits eine recht verbraucherfreundliche Lösung. Die europäische Regelung bringt daher keinen Vorteil für Verbraucher in Deutschland. Sollte die Deutsche Bahn entscheiden, sich eng an den EU-Gesetzestext zu halten, würde dies sogar zu einer Verschlechterung für Verbraucher in Deutschland führen.

Die ebenfalls viel gepriesene Regelung zur Fahrradmitnahme tritt vier Jahre später als der Rest der Verordnung in Kraft. Vier Fahrradstellplätze – und das reicht gerade für eine Familie – müssen nur dann angeboten werden, wenn neue Waggons beschafft werden oder bestehende Waggons so renoviert werden, dass sie eine neue Zulassung benötigen. Auch können sich Eisenbahnunternehmen auf ganzen Strecken von der Pflicht befreien lassen, wenn sie dies begründen. Worüber sollen sich Fahrgäste hier also freuen?

Die Europäische Kommission hat 2021 zum Europäischen Jahr der Schiene erklärt. Da wundert man sich doch, wenn im Jahr zuvor die Fahrgastrechte im Eisenbahnverkehr geschwächt werden. Aus der ersten Welle der Corona-Pandemie warten gerade noch Hunderttausende auf Erstattungen von ausgefallenen Zügen und Flügen, die ihnen nach EU-Recht schon seit Monaten zustehen. Die Rechte von Fahrgästen im Bahnverkehr empfindlich einzuschränken und darüber irreführend zu kommunizieren hilft dem Ansehen der EU an dieser Stelle nicht.“

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