Datum: 02.07.2020

Digitalisierung im Gesundheitswesen muss allen offenstehen

Patientendaten-Schutzgesetz: Gesundheitsterminals dürfen nicht entfallen

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Quelle: vectorfusionart - AdobeStock

Mit dem Gesetz zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur (Patientendaten-Schutzgesetz - PDSG) werden wesentliche Schritte zur Digitalisierung der Gesundheitsversorgung umgesetzt. Das begrüßt der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ausdrücklich. Allerdings muss sichergestellt werden, dass Versicherte auch ohne eigenes mobiles Gerät auf die elektronische Patientenakte und andere digitale Anwendungen zugreifen können. Die ursprünglich geplanten Gesundheitsterminals sind daher unerlässlich.

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen birgt die große Chance, die Versorgung zu verbessern und viel stärker als bisher am Bedarf der Patientinnen und Patienten auszurichten. Dreh-und Angelpunkt ist dabei die elektronische Patientenakte, auf die Bürger ab 2021 unter anderem über mobile Geräte zugreifen können.

Fraglich, ob Änderungen verfassungskonform

Durch den Änderungsantrag Nummer 10, der mit dem Gesetz am Freitag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages steht, wird allerdings die zusätzlich vorgesehene stationäre Infrastruktur gestrichen (§ 338 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch). Aus Verbrauchersicht ist dies nicht nachvollziehbar, denn die von Krankenkassen zu finanzierenden Gesundheitsterminals sollten ermöglichen, dass Versicherte auch ohne eigenes mobiles Gerät auf die elektronische Patientenakte und andere digitale Anwendungen zugreifen können. Die Geräte sollten flächendeckend und barrierefrei etwa in Geschäftsstellen der Krankenkassen, Apotheken, Arztpraxen oder Krankenhäusern aufgestellt werden. Seit langem sind sie fester Bestandteil des Zugriffskonzepts der elektronischen Patientenakte. Ohne einen solchen alternativen und sicheren Zugangsweg wird ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung per se von der digitalen Gesundheitsinfrastruktur ausgeschlossen. Der Verweis in der Begründung des Änderungsantrags, dass der Zugriff über einen Vertreter – Verwandte, hilfsbereite Freunde oder Nachbarn – sichergestellt werden könne, überzeugt nicht. Grundrechte und Zugangschancen zu existentiellen Dienstleistungen müssen individuell und diskriminierungsfrei sichergestellt werden.  Der vzbv hält es daher für fraglich, ob die Streichung der Gesundheitsterminals verfassungskonform ist.

Gesundheitsterminals gibt es in Sachsen bereits

Besonders unverständlich ist die überraschende Initiative auch vor dem Hintergrund, dass im Bundesland Sachsen bereits 225 solcher Terminals aufgestellt werden, finanziert durch zwei Krankenkassen und gefördert vom Sächsischen Sozialministerium. Die Betreibergesellschaft rechnet mit Kosten von 30 Cent pro Versicherten und Jahr, wenn insgesamt 2000 dieser Terminals von den Krankenkassen finanziert werden. Auch das Argument, es werde wahrscheinlich nur wenige Nutzer für die Geräte geben, ist fragwürdig.

Gesundheitsterminals ermöglichen einen niedrigschwelligen Zugang zur digitalen Infrastruktur. Von den digitalen Anwendungen könnten ältere Menschen mit höherem Versorgungsbedarf besonders profitieren. Gerade dieser Personenkreis verfügt oftmals aber nicht über die entsprechenden mobilen Geräte oder die notwendigen Nutzungskenntnisse. Das aktuelle Beispiel der Corona-Warn-App zeigt darüber hinaus, dass nur neuwertige Geräte die erforderlichen Sicherheitsmerkmale aufweisen.

Der vzbv hält stationäre Terminals auch deshalb für eine notwendige zusätzliche Option, weil viele Menschen ihren smarten Geräten aus Sicherheitserwägungen nicht trauen. Schließlich geht es bei digitalen Anwendungen um hochsensible Gesundheitsdaten.

Nutzer sind nie gefragt worden

Eine letzte Option, diese zusätzliche Infrastruktur doch noch zu ermöglichen sieht der Änderungsantrag mit einem Prüfauftrag an die gematik vor. Auf diese Weise sollen auch Patientenorganisationen die Möglichkeit erhalten, ihr Votum einzubringen. Sehr viel überzeugender wäre allerdings die Beibehaltung des § 338 und eine breite Nutzerbefragung gewesen. Nutzer sind bezüglich der von ihnen gewünschten Zugangsmöglichkeiten nie befragt worden. Das PDSG erweist sich in diesem Punkt als wenig innovativ. Bürgern wird auch in dieser für Nutzer zentralen Frage offensichtlich kein eigenes Urteilsvermögen zugetraut. Der vzbv fordert die Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf, dem Änderungsantrag Nummer 10 nicht zuzustimmen.

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Dr. Sylwia Timm

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