Datum: 18.03.2024

Zur Haftung der Reiserücktrittsversicherung bei infizierten Wunden

Urteil des OLG Schleswig vom 18.03.2024 (16 U 74/23)

Eine Reiserücktrittsversicherung, die unerwartete schwere Erkrankungen versichert, haftet, wenn eine Verletzung, die eine versicherte Person erlitten hat, sich nach Vertragsabschluss infiziert und ein Geschwür verursacht, das den Rücktritt von der Reise erforderlich macht.

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Quelle: Gina Sanders - Fotolia.com

Der Entscheidung des OLG Schleswig liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Kläger bucht online bei einem Reisebüro für sich, seine Ehefrau und seinen Sohn für den 7. bis 22. Februar 2020 eine Pauschalreise nach Kuba zu einem Preis von 8.397,00 Euro. Der Reiseveranstalter bestätigt mit E-Mail vom 7. November 2019 die Reiseanmeldung des Klägers. Am 9. November 2019 zieht sich die Ehefrau des Klägers bei einem Leitersturz unter anderem eine Wunde am Innenknöchel des rechten Fußes zu. Am 21. November 2019 schließt der Kläger für sich, seine Ehefrau und seinen Sohn bei der Beklagten eine sogenannte Jahres-Reise-Karte ab, die auch eine Reiserücktrittsversicherung enthält. In den Versicherungsbedingungen heißt es, Versicherungsschutz bestehe unter anderem für unerwartete schwere Erkrankungen, wobei die Erkrankung dann unerwartet sei, wenn sie bei Abschluss der Versicherung oder bei Buchung der Reise nicht bekannt war. In der Folgezeit infiziert sich die Schürfwunde der Ehefrau des Klägers, wodurch unter anderem eine Hauttransplantation erforderlich wird. Am 26. Januar 2020 storniert der Kläger die Reise, da bereits absehbar ist, dass die Wunde nicht rechtzeitig verheilen wird. Die Stornorechnung des Reiseveranstalters beläuft sich auf 5.038,00 Euro. Nach Erhalt der Stornorechnung und eines vom Unfallchirurgen der Ehefrau des Klägers ausgefüllten ärztlichen Fragebogens lehnt die Beklagte eine Zahlung ab. Sie macht geltend, die Wunde sei bereits vor Abschluss des Versicherungsvertrages behandelt worden und somit liege keine unerwartete Erkrankung vor. Hinzu komme, dass die ärztlich festgestellte Reiseunfähigkeit Grund und Anlass für die Kündigung des Reisevertrages sein müsse, der Kläger aber bereits zuvor gekündigt habe. Die Kündigung sei nach Überzeugung der Beklagten vielmehr aufgrund der Corona-Pandemie erfolgt. Das Landgericht weist die Klage in erster Instanz ab. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.

Die Berufung ist erfolgreich. Die Erkrankung der Ehefrau des Klägers sei als schwere Erkrankung im Sinne der Versicherungsbedingungen zu verstehen, da zum geplanten Zeitpunkt der Reise noch regelmäßige Verbandswechsel, Wundkontrollen und eine Schonung für eine weitere Woche notwendig gewesen sei. Angesichts dessen konnte die Ehefrau des Klägers nicht wie geplant auf Kuba eine Busrundreise mit wechselnden Übernachtungsorten und weiteren Transferleistungen durchführen. Das Geschwür sei auch bereits vor der Stornierung der Reise durch den Kläger attestiert gewesen. Die Erkrankung sei daneben auch unerwartet gewesen, da sie bei Abschluss der Reiserücktrittsversicherung nicht positiv bekannt war. Bei dem Geschwür – einem durch einen Infekt ausgelösten Substanzdefekt der Haut – handle es sich objektiv um ein ganz anderes Erkrankungsbild als bei einer bloßen sturzbedingten Schürfwunde.

 

Hinweis: An diesem Verfahren war der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) nicht beteiligt. Gerne informiert Sie der vzbv alle vier bis sechs Wochen mit einem kostenlosen Newsletter über neue Urteile zum Verbraucherrecht.

Datum der Urteilsverkündung: 18.03.2024
Aktenzeichen: 16 U 74/23
Gericht: OLG Schleswig

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