Datum: 27.07.2017

VW-Skandal und das Autokartell: Rechte der Verbraucher

Was VW-Skandal und mutmaßliches Autokartell für Verbraucher bedeuten

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Quelle: pixabay -stocksnap.io

  • VW verweigert umfassende Garantien für Folgeschäden einer Umrüstung manipulierter Dieselautos.
  • Angesichts der Kartellvorwürfe eröffnen sich neue rechtliche Möglichkeiten für Verbraucher.
  • vzbv: Musterfeststellungsklage muss kommen.

Sollten sich die Vorwürfe von Kartellabsprachen zwischen deutschen Autoherstellern bewahrheiten, wären Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher betroffen - und zwar nicht nur bei VW. Viele stellen sich die Frage, was die aktuellen Entwicklungen rechtlich für sie bedeuten. Der vzbv gibt Antworten.

Millionen von Diesel-Fahrzeugen aus dem Volkswagen-Konzern halten zwar auf dem Prüfstand die Grenzwerte für den Luftschadstoff Stickoxid ein, stoßen aufgrund illegaler Abschalteinrichtungen auf der Straße aber deutlich mehr davon aus. Das Unternehmen wurde vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) verpflichtet, die Fahrzeuge im Rahmen einer Rückrufaktion nachzurüsten und so auch auf der Straße sauberer zu machen. Nach Angaben von Volkswagen soll die Umrüstung aller Fahrzeuge in diesem Jahr abgeschlossen werden. Allerdings weigert sich VW bislang, den Autohaltern eine umfassende Garantie zu geben, dass die Umrüstung keine Nachteile zur Folge haben wird.

Eine mögliche Ursache für den Abgasskandal liegt laut Medienberichten in Absprachen zwischen deutschen Autoherstellern. Dabei sei unter anderem festgelegt worden, wie groß die Tanks für AdBlue, ein Mittel, das Dieselabgase reinigt, sein sollen. Demnach sollen sich die Hersteller bewusst auf zu kleine Tanks geeinigt haben, um Kosten zu sparen und kein Kofferraumvolumen zu verlieren. Die Folge: hohe Stickoxidemissionen.

Autos mit manipulierter Abgasreinigung sind nach Ansicht der meisten Gerichte mangelhaft.

Autokäufer der manipulierten Fahrzeuge haben daher zumindest gegen ihren Verkäufer einen Anspruch auf Gewährleistung. Hiernach ist der Verkäufer grundsätzlich zunächst verpflichtet, den Mangel auszubessern oder ein mangelfreies Fahrzeug auszuliefern. Geht dies schief, weigert sich der Verkäufer oder ist er dazu nicht in der Lage, können die Verbraucher ihren Rücktritt vom Kaufvertrag erklären, das heißt, dem Händler das Auto zurückgeben und den Kaufpreis zurückerstattet bekommen.

Erforderlich für den Rücktritt ist, dass der Mangel als erheblich bewertet wird. Die Rechtsprechung ist bisher uneinheitlich, ob Betroffene einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags haben. In einer zunehmenden Zahl von Fällen wird ein Anspruch der Verbraucher anerkannt. Eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs gibt es hierzu noch nicht. Weitere Informationen mit Links zu Musterbriefen für Verbraucher, finden Sie hier.

Einige Gerichte (zuletzt das LG Offenburg mit seinem Urteil vom 12.5.2017, 6 O 119/16) haben bereits Ansprüche von Verbrauchern gegen VW direkt wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung anerkannt. Entgegen den bisherigen Beteuerungen von VW ging das Gericht davon aus, dass die illegale Software mit Wissen und Wollen des Herstellers eingebaut wurde. Dabei ließ es die Behauptung des Klägers, VW habe vorsätzlich gehandelt, ausreichen, weil er mangels Einblicks in Unternehmensinterna gar keinen Beweis hierfür vorlegen könne und VW nicht dargelegt habe, wie es zum Einbau der Software ohne Wissen des Vorstands habe kommen können.

Alleine durch die zwischen den Unternehmen stattgefundenen Gespräche hat sich diese Beweislage nun zugunsten der Verbraucher verdichtet, so dass davon ausgegangen werden kann, dass sich weitere Gerichte dieser Beurteilung des Sachverhalts anschließen werden. Ansprüche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verjähren innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis.

Sollte sich der Vorwurf von kartellrechtswidrigen Absprachen bestätigen, hätten nicht nur VW-Kunden mit manipulierten PKW, sondern auch Kunden anderer Hersteller, die an dem Kartell beteiligt waren, einen weiteren, nämlich kartellrechtlichen Schadenersatzanspruch. Allerdings wird der einem Verbraucher konkret durch die kartellrechtliche Absprache entstandene Schaden schwer zu beziffern sein. Dieser Anspruch verjährt fünf Jahre nach Bekanntwerden des Kartells.

Die Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Kritisch ist, dass Verbraucher die Konsequenzen tragen müssen – egal, ob sie umrüsten lassen oder nicht.

Nehmen Autofahrer nicht an einem verpflichtenden Rückruf teil, kann die Betriebserlaubnis des Fahrzeugs entzogen werden. Das ist zwar noch nicht passiert, aber Volkswagen droht bereits damit.

Wer nachrüsten lässt, hat bislang allerdings keine rechtsverbindliche Garantie, dass dies nicht zu Nachteilen am Auto führt und dass die Hersteller für mögliche negative Auswirkungen aufkommen. Verbraucher können versuchen, eine entsprechende schriftliche Garantie beim Hersteller oder Händler einzufordern. Die Erfolgschancen schätzt der vzbv allerdings als gering ein. Umso wichtiger sind rechtsverbindliche Garantien der Hersteller, die Verbrauchern mehr Sicherheit geben.

Bei freiwilligen Nachrüstaktionen gibt es keine Pflicht, teilzunehmen. Bislang ist allerdings nicht bewiesen, wie wirksam die Nachrüstungen tatsächlich sind. Der vzbv fordert, dass unabhängige Tests und Nachprüfungen unter realen Bedingungen auf der Straße durchgeführt und diese Ergebnisse transparent kommuniziert werden. Nur wenn die Updates den Schadstoffausstoß deutlich verringern und wenn die Hersteller garantieren, für mögliche Folgeschäden aufzukommen, wären freiwillige Updates empfehlenswert. Verbraucher, die sich gegen ein freiwilliges Software-Update entscheiden, dürfen keinerlei Nachteile durch ihren Fahrzeughersteller erfahren, zum Beispiel dass ihnen künftige Updates verweigert werden.

 

Wer gegen VW auf Rücknahme seines Fahrzeugs klagen möchte, sollte die weitere Entwicklung in der Rechtsprechung beobachten. Sollte sich die vermutete Tendenz bestätigen, so kann die Erhebung einer Individualklage eine gute Alternative zur Abtretung der Ansprüche an einen der derzeit aktiven Rechtsdienstleister in diesem Bereich sein.

Wer sich auf den kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch berufen möchte, sollte die Ergebnisse des kartellrechtlichen Verfahrens abwarten. Denn wenn die Kartellbehörde rechtskräftig festgestellt hat, dass ein kartellrechtlicher Verstoß vorlag, dann können Sie sich bei einer Schadensersatzklage auf diese Feststellung berufen.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert, dass die nächste Bundesregierung endlich eine Musterfeststellungsklage einführt. Dann müsste nicht mehr jeder Verbraucher einzeln seinen Schaden einklagen. Zentrale Rechtsfragen könnten in einem einzigen Verfahren gebündelt werden. Betroffene Verbraucher könnten sich dieser einen Musterklage anschließen. Mehr Informationen hier.

Außerdem sind im Kartellrecht Beweiserleichterungen und gesetzliche Vermutungen zur Schadenshöhe nötig. Wenn jeder Verbraucher individuell nachweisen muss, welcher Schaden ihm durch ein Kartell entstanden ist, ist es sehr schwierig, Geld zurückzuerhalten. Bei Kartellverstößen muss deshalb eine Schadenshöhe vermutet werden können, zum Beispiel in Höhe von zehn Prozent des Kaufpreises. Im Fall des möglichen Autokartells hieße das, dass sich für Verbraucher ein Schaden in Höhe von zehn Prozent des Neuwagenpreises annehmen ließe.

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Verbrauchern zu dem Geld verhelfen, das ihnen zusteht #VerbraucherZählen

Am 24. September 2017 ist Bundestagswahl. Der vzbv fordert von den Parteien, die Bedürfnisse von Verbrauchern in den Programmen, im Wahlkampf und im Koalitionsvertrag in den Fokus zu stellen. Eine Kernforderung des vzbv umfasst die Einführung einer Musterfeststellungsklage. Weitere Informationen finden Sie hier und unter dem Hashtag #VerbraucherZählen.

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